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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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als bis ich die ausdrückliche Erlaubniß dazu ertheile. Sie haben wohl für mein Pferd einen Platz im Stalle? Lassen Sie es vom Knechte besorgen!«
    Ohne sich um den gewaltigen Eindruck, welchen seine Worte machten, zu bekümmern, schritt er nach der Thür. Sein Blick fiel schärfer in das Gesicht des Husaren; er blieb vor ihm stehen.
    »Mir ist, als hätten wir uns schon einmal gesprochen?«
    »Ja, Herr Obergendarm.«
    »Wo und wann ist das gewesen?«
    »Vor einem Jahre in der Stadt. Ich hab’ – die Anzeige – über den – Fährmannbauer gemacht!«
    Der Beamte schien sich zu besinnen.
    »Richtig! Ich war damals noch Brigadier. Wurden Sie nicht in derselben Angelegenheit auch als Zeuge vernommen? Es handelte sich, glaube ich, um Cassenscheine, deren Nummer eingetragen war?«
    »Ja,« antwortete er immer verlegener.
    »Der Fall war interessant, ist mir aber nicht mehr so genau gegenwärtig. Wie waren Sie denn eigentlich in den Besitz des Geldes gekommen?«
    Diese Frage, ganz unverfänglich ausgesprochen, trieb in das Gesicht des Husaren eine dunkle Blutwoge, um es dann desto blässer erscheinen zu lassen. Der Gendarm mußte diesen Eindruck, welchen seine Worte machten, bemerken.
    »Wie – soll ich denn dazugekommen sein? Er hat mir’s – geborgt!«
    »Ja, ja, jetzt fällt es mir ein! Und jetzt sind Sie der Bräutigam seiner Frau? So, so; ich gratulire nochmals!«
    Er übergab draußen sein Pferd dem Knechte und verließ dann den Hof. Die ebenso ungewöhnliche, wie scheinbar unbegründete Verlegenheit des Soldaten war seinem geübten Blicke aufgefallen; doch konnte er den Gedanken, welche sich sofort zu einem Bilde compliciren wollten, nicht Raum geben, – er war anderweit zu sehr in Anspruch genommen. Auf der Straße warteten mehrere Untergebene auf ihn; er instruirte sie und ließ sich dann von einem ihm begegnenden Dorfbewohner nach dem Lindenhofe führen.
    Er traf die Bäuerin nicht zu Hause. Sie war noch spät zum Nachbardorfe gegangen, wo eine Bekannte von ihr eine heilsame Wundsalbe besaß, die gar trefflich war für alle Verletzungen und äußere Schäden. Von dieser wollte sie holen und Paul auflegen, damit sie ihm den Schmerz lindere.
    Obgleich sie sich gesputet hatte, brach doch bereits die Nacht herein, als sie den Rückweg antrat. Ein großer Theil desselben führte durch den Wald; doch fürchtete sie sich nicht, da sie ein gutes Mittel wußte, die Angst zu vertreiben: sie sang nach dem Tacte ihrer Schritte halblaut vor sich hin, – das fesselt die Phantasie und läßt sie auf nächtliche Täuschungen weniger achten. Ihre Stimme war als eine der besten im Orte bekannt, und sie hatte mit dem Vater Paul’s in früherer Zeit gar manche schöne Kirchenarie vom Chore herab gesungen. Jetzt fiel ihr sein Lieblingslied ein; sie summte es und dachte dabei, wie schön es sein würde, wenn die alten Tage wiederkehren könnten, in denen er die Frau noch nicht lieb hatte, die ihn nur wegen seiner blanken Knöpfe nahm und dann, als er den Militairrock auszog, nicht mehr leiden konnte.
    Plötzlich blieb sie stehen. Es war ihr, als hätte Jemand ihren Namen ausgesprochen, gerade so, wie Der, an den sie dachte, der sich oft hinter den Zaun oder in den Busch gesteckt und sie mit heller Stimme gerufen hatte, um sie zu überraschen.
    »Minna!«
    Jetzt hörte sie das Wort deutlich. Es befand sich also wirklich Jemand hinter den Sträuchern, und es wurde ihr plötzlich so bange, daß sie fliehen wollte.
    »Bleib’ steh’n, Minna, und sag’, bist’s, oder bist’s nicht!«
    »Guter Heiland, das klingt ja grad’ wie – ja, ich bin’s! Wer ist denn da?«
    »Erschrick nicht, Minna, der Eduard ist’s!« antwortete es, indem der Sprecher näher trat.
    »Bleib’ steh’n, – ich glaub’ es nicht, – es ist nicht möglich!«
    »Und doch ist’s möglich, – hör’ mich nur an! Ich bin aus der Gefangenschaft entsprungen! Wißt Ihr’s noch nicht im Dorf?«
    Sie faltete vor Schreck ihre Hände ineinander und antwortete mit vorsichtig gedämpfter Stimme:
    »Kein Sterbenswort hab’ ich gewußt. Ach Gott, Eduard, was hast da gethan!«
    »Ich hab’ nicht anders gekonnt! Sie haben mir den Paul erschossen, und da bin ich fort, um ihn noch einmal zu seh’n.«
    »Erschossen? Das ist ja gar nicht wahr! Die Kugel hat ihm nur die Haut berührt und ein paar Haare mitgenommen.«
    »Ist’s wahr, Minna? Ist’s gewiß auch wahr, was Du mir sagst?« fragte er mit vor Freude lauter Stimme.
    »Freilich ist’s wahr; ich

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