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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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besten Straf’, die sie verdient! Doch aber mein Paul, mein armer, lieber Junge, wie wird’s dem nun ergehen!«
    »Brauchst um ihn keine Angst zu haben, denn ihm kann Keiner mehr ‘was thun. Er ist heut’ Nacht im Graben hier erschossen worden!«
    Es war eine niederträchtige Lüge, welche der Mann hier aussprach. Er hatte Pflicht und Instruction vollständig vergessen und nur dem Privathasse Raum gegeben. Seine Absicht, den Gefangenen aufs Tiefste zu verletzen, brachte eine Wirkung hervor, die ihm selbst zum größten Schaden gereichte.
    »Erschossen! Also doch?« rang es sich stockend zwischen den bebenden Lippen hervor. »O, Du mein lieber Gott, was hab’ ich denn verbrochen, daß Du mich immer härter schlägst?«
    Da ertönten aus dem Innern des Gefängnißhofes laute, tactmäßige Schritte über die Mauer herüber; der zur Arretur gerufene Unterofficier nahte mit seinen Leuten.
    Der Schreck wich aus Fährmann’s Gesicht; das Geräusch des klirrenden Schlüssels schien ihn elektrisch zu durchzucken; er war mit einem Schlage ein vollständig Anderer.
    »Grüß’ mir das Strafloch, Schusterbursch’, wenn Du an meiner Stell’ hineinkommst!« klang es mit plötzlicher Entschlossenheit. Ein rascher Griff, und er hatte dem Soldaten das Gewehr aus der Hand gerissen; im nächsten Augenblicke war er schon weit entfernt und sprang mit weiten Sätzen bereits die Böschung hinan, als die drei Leute durch die geöffnete Pforte traten.
    »Ein Mann auf der Flucht!« rief ihnen das entwaffnete Piquet entgegen und zeigte mit der Hand nach dem Fliehenden.
    Der Unterofficier überblickte schnell die Situation.
    »Halt, – Gewehr an, – gebt Feuer!« commandirte er.
    Er zog die eigene Waffe in die Höhe.
    Drei Schüsse krachten; keiner traf.
    »Posten an der Pforte!«
    »Hier!«
    »Ein Gefangener entflohen, – Mannschaft zur Verfolgung. Drei Mann zur Arretur des Piquets!«
    Schon hatten seine beiden Begleiter ihm die hinderlichen Gewehre übergeben, um der flüchtigen Nummer Hundertneunzig nach zu springen; wenige Augenblicke später quoll aus der Pforte die sämmtliche reserve Wachtmannschaft, durcheilte auf einen gegebenen Wink den queren Graben, kletterte, ohne den Umweg nach der Böschung zu machen, an der Mauer empor und schlug im schnellsten Laufe die Richtung nach Oberdorf ein, in welcher, schon weit entfernt, die Gestalt Fährmann’s noch zu erkennen war.
    Nun krachte auch der übliche Böllerschuß, um die Bewohner der Umgegend auf das Geschehene aufmerksam zu machen, und zu gleicher Zeit langten die drei Arrestaten an. Einer von ihnen wurde zur Ablösung des Piquetmannes verwendet; die anderen Beiden nahmen den Letzteren zwischen sich und verschwanden, von dem Unterofficier gefolgt, hinter der Pforte.
    Das Kind hatte den Vater befreien wollen und trotz des nächtlichen Schusses seinen Zweck erreicht; der Ersehnte hatte seine Banden gesprengt und war dem jammernden Rufe gefolgt.
III.
    Im Fährmannshofe, der von morgen an das Hilbertgut genannt werden sollte, ging es schon während der Dämmerung gar lustig her. Er war ja heute Polterabend, an welchem sich die Nachbarn und Bekannten das Vergnügen zu machen pflegen, all’ ihren Vorrath an altem, unbrauchbarem Topfgeschirr an der Thür des Hochzeitshauses zu zerbrechen.
    Die Knechte hielten sich zur lustigen Abwehr bereit und trieben dabei mit den Mägden und dem sonstigen Besuche allerlei neckische Kurzweil. In der guten Stube aber saß das Brautpaar und hielt ein ernstes Zwiegespräch. Die Bäuerin hatte jetzt Zeit dazu; die meiste Arbeit war gethan, und was noch übrig blieb, das konnte sie dem Gesinde überlassen.
    Sie befand sich in einer nicht sehr rosigen Laune, und das hatte seinen triftigen Grund! Die Abneigung, welche sie gegen ihren ersten Mann empfand, war auch auf dessen Kind übergegangen, ein Fall, der, so unnatürlich er erscheint, leider kein vereinzelter genannt werden kann, und hatte eine Vernachlässigung des armen Knaben zur Folge, die von jedem achtbaren Dorfbewohner mit dem größten Mißfallen bemerkt und auch besprochen wurde. Niemand aber hatte sich zur Einmischung berufen gefühlt, und selbst die brave Lindenbäuerin, welche wegen einer heimlichen Zuneigung für Fährmann unverheirathet geblieben war, hatte sich nur unter der Hand des Knaben angenommen und die Ausführung ihres Entschlusses, ihn durch das Vormundschaftsgericht sich zusprechen zu lassen, aus weiblicher Verzagtheit von einer Zeit zur anderen hinausgeschoben. Der heutige

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