Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
werd’ doch Dir keine Lüg’ sagen! Schau hier die Salb’; die würd’ ich doch nicht für ihn holen, wenn er zu Tod’ getroffen wär’!«
    »Für ihn bist fort gewesen, Minna, – für mein Kind? Sag’, wo ist er zu finden? Ich muß ihn seh’n!«
    »Bei mir im Lindenhof. Die Mutter sitzt bei ihm und sorgt für seine Pfleg’, bis ich zurückgekehrt bin.«
    »Was meinst für eine Mutter? Du hast ja keine mehr!«
    »Die Deinige. Deine Frau hat sie aus dem Haus gejagt, drum wohnt sie nun bei mir.«
    Er ergriff ihre Hände und drückte sie an seine Brust.
    »Du gute, liebe Seel’, wie soll ich Dir es danken! Und den Paul hast auch zu Dir genommen?«
    »Seit heut’ nur erst; aber ich geb’ ihn nimmer wieder her, bist Du selber ihn verlangst.«
    »So weiß ich ihn in guten Händen! Lindenbäurin, ich hab’ Dich gar zu gern gehabt, aber ich wollt’ mich nicht an Dich getrauen, weil ich zu arm gewesen bin. Da ist die Andere gekommen und hat sich mit Fleiß mir an den Hals geworfen; sie ist schön, und ich hab’ geglaubt, daß ich sie lieben kann. O, wärst doch Du an ihrer Stell’ gewesen!«
    »So hast sie nicht mehr lieb, Eduard?«
    »Schon längst nicht mehr; sie ist auch schuld, daß ich im Zuchthaus bin; denn ohne ihr hätt’ ich dem Reiterkurt nicht das Geld geborgt, worauf man meine Schuld begründet. Minna, Du bist so gut, so seelensgut, – thu’ mir nun auch die Lieb’ und glaub’, daß ich unschuldig bin!«
    »Ich glaub’s!« antwortete sie einfach. »Aber wie ist’s nur zugegangen, daß Du verurtheilt bist?«
    »Das weiß ich auch nicht! Ich hab’ dem Kurt fünfzig Thaler geliehen von meinem eigenen Geld, und einige Tage darauf ist der Brigadier gekommen mit dem Director von der Gesellschaft, um die Cass’ zu untersuchen. Da haben achthundert Thaler gefehlt, die im Buch zu wenig eingetragen sind, und das Geld, welches der Kurt bekommen hat, ist grad’ von dem gewesen, welches fehlt. Wie das zugegangen ist, das kann ich nicht begreifen! Ich darf mich auch gar nicht hineindenken, sonst geht mir der Verstand verloren! Ach, Minna, ich wollt’, ich wär’ gleich todt!«
    »Sprich nicht so, Eduard. Der liebe Gott wird’s schon noch an den Tag ziehen! Aber sag’, was jetzt nun werden soll?«
    »Jetzt will ich ins Dorf zum Paul, und dann kehr’ ich freiwillig ins Zuchthaus zurück!«
    Er nahm sie bei der Hand und zog sie vorwärts. Sie hatten sich so viel zu fragen und zu sagen, daß sie wenig oder gar nicht an die gegenwärtige Gefahr dachten und den Schritt erst anhielten, als sie den Rand des Waldes erreichten.
    »Hier muß geschieden sein, Minna. Das Dorf ist ganz gewiß mit Soldaten und Polizei umstellt. Am besten ist der Fährmannshof besetzt und auch der Deinige, weil sie meinen, daß mich der Paul hinziehen werd’. Ich würd’ mich freiwillig gleich gefangen geben, wenn ich wüßt’, daß sie mich ihn erst sehen lassen. Aber das thun sie nicht, und so werd’ ich mich in den Lindenhof schleichen.«
    »Eduard, thu’s lieber nicht. Sie werden Dich erschießen!«

    »Mich treffen sie nicht! Und wenn auch; um den Zuchthausfährmann wird kein Aug’ mehr roth!«
    »Glaub’s nicht, glaub’s nicht. Du thust sonst eine Sünd’! Deine Mutter hat so um Dich geweint, daß sie bald nichts mehr sehen kann, und ich – ich – ich –«
    »Nun, Du? Sag’s, Minna!«
    »Ich könnt’ mich gar nie trösten!«
    »Ist’s wahr?«
    »Ja. Trag’ Deine Straf’, Eduard, wenn Du auch unschuldig bist! Und nachher kommst Du zu mir. Wenn Alle Dich verlassen, – in meinem Haus bist stets willkommen!«
    Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. Es wurde kein Wort gesprochen; der Augenblick war zu selig und zu heilig für die gewöhnliche Rede. Endlich schob er langsam ihr Köpfchen von sich ab.
    »Geh’ jetzt, Minna, geh’; ich komm’ bald nach.«
    »Sie schießen!« erwiderte sie angstvoll.
    »Nein, denn sie werden mich gar nicht seh’n. Ich kenn’ den Hof und weiß die Schlich’, die ich zu brauchen hab’. Wo liegt der Paul?«
    »In der Stub’ bei meiner Kammer. Du wirst’s am Licht erkennen.«
    »So mach’ den Vorhang herab, sobald im Haus der Weg frei ist. Das Uebrige ist meine Sach’. Nun geh’!«
    Sie ließ ihn mit schwerem Herzen allein; aber sie mußte ihm gehorchen. Er wartete, bis er ihre Schritte nicht mehr hörte, und näherte sich dann mit der angestrengtesten Vorsicht dem Dorfe.
    Die Wege waren besetzt, das merkte er schon nach kurzer Zeit; er wendete sich daher querfeldein

Weitere Kostenlose Bücher