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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vorüberschreitend, gelangte er bald an eine eingehauene Nische, in welcher mehrere Stufen aufwärts führten; doch war die früher jedenfalls über ihnen vorhandene Oeffnung vor kurzer Zeit, wie sich an dem Gemäuer erkennen ließ, wieder zugebaut worden.
    »Das sind die Stuf’n, welche der Vater hinabgestieg’n ist damals, und feucht und kalt ist’s auch, das stimmt. Hier ist die That gescheh’n, und hier wird auch meine Nach’ über sie kommen wie der Blitz, den man net vorher ahnt und geg’n den es kein Entrinnen giebt!«
    Nicht weit davon entfernt gab es eine starke, eichene Thür. Sie war geöffnet, doch hing in dem Haspen ein großes, eisernes Vorlegeschloß. Der Raum hinter ihr war niedrig und eng, und das auf dem Boden liegende faulige Stroh ließ ebenso wie der in der Ecke stehende halb zerbrochene Wasserkrug vermuthen, daß diese Höhlung als Gefängniß verwendet werde.
    Frieder ging weiter und kam an eine Stelle, wo der Stollen künstlich erweitert worden war. Rohe Steinbänke standen ringsum; viele Nägel staken in den Wänden, und von der Decke hing eine Oellampe, deren Cylinder noch Wärme zeigte. Dies war allem Anscheine nach der Versammlungsort der Bande.
    Von hier aus führte der Stollen eine lange Strecke immer in gerader Richtung unter der Erde fort, bis plötzlich eine querüber laufende Mauer ein unübersteigliches Halt gebot. Frieder untersuchte Zoll für Zoll derselben, ebenso den Boden, die Decke und die Seitenwände, fand aber nicht das Mindeste, was auf einen versteckten Durchgang schließen ließ. Er klopfte; der Ton klang hohl. Der Gang setzte sich also jenseits fort, doch war es allerdings möglich, daß er von den Schmugglern nicht benutzt werde.
    »Aber wie ist der Waldkönig in den Stoll’n gekommen? Beim Stein da vorn net, sonst hätt’ ich ihn ja bemerkt. Es muß noch einen Zugang geb’n, den er nur für sich benutzt. Heut ist’s zu spät, weiter zu forsch’n; ich werd’ die nächst’n Tag’ dazu benutzen. Jetzt muß ich fort, sonst wag’ ich doch zu viel!«
    Er ging zurück, setzte die Lampe auf derselben Stelle nieder, von welcher er sie aufgenommen hatte, schob die Eisenstange zurück, zog den Stein von der Oeffnung und stieg in das Freie. Nachdem er vermittelst der Wurzelkurbel den Eingang wieder verschlossen hatte, trat er den Nachhauseweg an. Er wußte sich vollständig sicher. Der König wilderte jedenfalls nicht in der Richtung des Dorfes; die Schmuggler waren nach der Grenze gegangen, und so hielt er es nicht für nothwendig, seine Schritte unhörbar zu machen.
    Eben war er in die Nähe des Forsthauses gelangt, als er ein scharfes »Halt, steh, oder wir schieß’n!« vernahm, und zugleich sah er von vorn und der Seite mehrere Gewehrläufe auf sich gerichtet.
    »Gut’ Freund! Was soll’s?« antwortete er, stehen bleibend.
    »Wer bist’?«
    »Der Frieder vom Bachhof.«
    »Ah,« vernahm er die Stimme des Feldwebels, »sind Sie es, Herr Goliath junior? Darf ich bitt’n, die Mask’ abzuleg’n!«
    Frieder erschrak. Er dachte erst jetzt daran, daß er sie noch nicht vom Gesicht genommen hatte. Er band sie los. Der Feldwebel trat, während seine Leute die Gewehre noch immer im Anschlage hielten, auf ihn zu und sah ihm in das Gesicht.
    »Ja, er ist’s. Hab’n Sie Waff’n bei sich?«
    »Ja, einen Revolver.«
    »Gelad’n?«
    »Vollständig.«
    »So so! Da hätt’n wir ja einen von den Kerls, vielleicht gar den Herrn Urian, den Waldkönig selber. Her mit der Waff’ und der Larv’.«
    Frieder wußte, daß der Feldwebel in seinem Rechte handle und übergab Beides.
    »Gut. Jetzt bist’ mein Gefang’ner! Also darum ließ sich keine Flieg’ bei der Schießhütt’ sehn um Neun, weil der Zettel falsch war und uns verleit’n sollt’. Unterdess’n ist hier ein Putsch gescheh’n, und es ist nur gut, daß ich auf Patrouille ging, sonst wär’ der Vogel glücklich heimgekommen. ‘Wirst Niemand mehr durch’s Fenster werf’n und net mehr oft mit der Martha tanz’n, mein Bursch’. Vorwärts marsch!«
    »Oho, so weit sind wir wohl net! Warum ich die Larv’ anthu, das ist meine Sach’, und den Revolver darf ich trag’n.«
    »Wer hat’s erlaubt?«
    »Der Förster.«
    »Das wird sich find’n. Marsch vorwärts! sag’ ich, sonst brauch’ ich Gewalt!«
    »Papperlapapp, die Gewalt kennt man schon! Wie weit sie reich’n darf, das weiß ich auch. Dort ist noch Licht im Forsthaus, und der Förster wird daheim sein. Jetzt geh’ ich gerad’n Weg’s zu ihm und

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