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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der ausgestellten Posten inspizirt habe, und es ließ sich also vermuthen, daß ihm schon am frühen Abend ein Unglück zugestoßen sei. Aus diesem Grunde wurden alle verfügbaren Personen in den Wald beordert, um denselben nach dem Vermißten abzusuchen, und gegen Mittag schon brachte Einer von ihnen die Dienstmütze des Webels.
    Sie hatte an der verschütteten Mündung des Stollens gelegen und trug die deutlichen Spuren eines kraftvollen Hiebes, der auf den Kopf ihres Trägers geführt worden war. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr; der Feldwebel war in die Hände des Waldkönigs gerathen und entweder bereits todt oder wurde an irgend einem verborgenen Orte in Gefangenschaft gehalten.
    Der Offizier zog darum auch die in der Umgegend stehende Mannschaft herbei, um Nichts unversucht zu lassen, der Person oder Leiche des Verlorenen wieder habhaft zu werden; das sämmtliche Forst-und Grenzpersonal wurde in Allarm versetzt und selbst eine Menge Civilisten requirirt, um ja nicht aus Mangel an Kräften eine Spur unentdeckt zu lassen.
    Die Nachbarn standen vor dem Dorfe auf der Gemeindewiese und theilten sich ihre Vermuthungen mit, als ein neues Ereigniß ihre Aufmerksamkeit erregte. Die Pforte des Bachhofes öffnete sich und der Bauer trat heraus. Er trug die Sonntagsjacke und wurde von dem Jungknechte geführt, welcher den Weg nach dem Feldhofe einschlug.
    »Der Bachbauer geht nach dem Feldhof. Der jüngst’ Tag ist vor der Thür; schlagt drei Kreuz’ und werft die Händ’ über dem Kopf zusammen!« meinte Einer.
    »Wart’s erst ab, ob er auch wirklich hinein geht; er kann ja auch vorüber woll’n!« antwortete ein Anderer.
    »Siehst’s denn net, daß er grad nach dem Thor einbiegt! Jetzt tritt er hinein. Was mag er beim Feldbauer woll’n.«
    »Das wirst’ schon noch erfahr’n, denn wenn die Beid’n zusammenkommen, so schalt’s im ganz’n Dorf zurück! –«
    »Ist Wer im Hof?« frug Frieders Vater, als er das Thor hinter sich hatte, seinen Führer.
    »Ja, ein paar Knecht’ und Mägd’, die uns ganz verwundert anschaun. Und dort kommt grad auch die Tochter unter die Thür.«
    »Gieb ihr den Wink und führ’ mich hin!«
    Martha erbleichte vor Schreck, als sie ihn erblickte, doch wartete sie, bis er vor ihr stand.
    »Grüß Gott, Martha! Ist der Bauer daheim?«
    »Ja, er hält den Mittagsschlaf.«
    »So weck’ ihn und führ’ mich einstweil’n in die Stub’! Bleibst hier im Hof,« wandte er sich dann an den Knecht, »bis ich Dein nachher wieder bedarf!«
    Sie nahm ihn bei der Hand und leitete ihn in die Stube, wo sich auch die Bäurin befand, die ebenso erschrak, wie vorher die Tochter.
    »Ihr wollt zum Bauer?« frug sie erstaunt nach gewechseltem Gruße.
    »Ja, zu ihm. Ein gar selt’ner Besuch, net wahr?«
    »So selten, daß ich beinah’ Angst bekomm’.«
    »Vor mir oder vor ihm?«
    »Vor Euch net, Bachbauer. Wer brav und recht handelt, braucht sich net vor Euch zu fürcht’n.«
    »Das will ich meinen! Und grad darum werft Eure Angst hinaus, denn Niemand hat so wenig Grund dazu wie Ihr. Ich komm’ in einer Sach’, die gar gut und löblich ist, und wenn’s so geht, wie ich denk, so bring’ ich Fried’ und Freundlichkeit.«
    Martha war unterdessen gegangen, um den Vater zu wecken. Sie kehrte zurück, um sein Erscheinen anzukündigen, und hatte noch nicht ausgesprochen, so stand er bereits hinter ihr.
    »Oho, wer ist denn das? Der Goliath, der net lernen will, rechtschaff’nen Leut’n aus dem Weg zu gehn. Jetzt kommt er gar noch auf den Feldhof und verpestirt mir die frische Luft. Mach Dich von hinnen, sonst gebrauch’ ich mein Hausrecht und setz Dich hinaus!«
    »Das wirst’ net thun. Ich bin heut’ eine heil’ge Person, die selbst der ärgst’ Feind net anzutast’n wagt.«
    »So! Bist etwa als heil’ge Blindkuh in den Kalender gesetzt word’n?«
    »Den Spott vergeb ich Dir. Du denkst, Du hast ihn billig, aber glaub’ mir, er ist eine gar theure Waar’! Ich komm’ mit Dir zu red’n, mit Dir ganz allein. Hast’ keine Stub’ für Dich?«
    »Für mich? Der ganz’ Hof ist ja mein, also brauchst’ um die Stub’ net bang zu sein. Doch darfst’ net denk’n, daß ich mir von Dir die Vorschrift geben lass’. Deine Heiligkeit ist net weit her, das weiß ich ganz genau, und was Du mir zu sag’n hast, kann jeder Andre hör’n.«
    »Es ist nur für Dich allein, und Dein eig’nes Interess’ erheischt, daß es Niemand hör’.«
    »Mach’ keine Fabelei! Entweder sprichst oder gehst, das

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