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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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steht. Von seinem Thun wird net der geringst’ Vorwurf auf Euch kommen, und alle Thor’ und Thür’n sind Euch geöffnet, wo Ihr anklopft. Wollt Ihr noch länger hinsiech’n und hinkriech’n unter dem Unglück, das er Euch bereitet? Werft es ab, das ist Eure Pflicht und Schuldigkeit, und ihr werdet mirs noch Dank wiss’n, daß ich ihn zertreten hab!«
    Er erhob sich und ging in die Nebenstube. Der Goliath kannte sich und wußte ganz genau, daß er längeren Bitten unmöglich widerstehen konnte.
    Martha weinte. Sie hatte viel gelitten, heut aber war der bitterste Tag ihres Lebens.
    »Sei still,« tröstete die Mutter; »bis morg’n ist noch lang’ Zeit, und ich kenn’ den Mann, der gar bärbeißig thut und vor der Bitt’ den Reißaus nimmt, weil er sie net versag’n kann. Der Frieder wird schon helf’n!«
    »Soll ich, Martha?«
    »O, thu’s, Frieder, thu’s! Auf Dich muß ich die einzige Hoffnung setz’n, die mir noch möglich ist. Wirst’ sie erhör’n?«
    »Dir thu ich All’s zu lieb, was ich vermag. Ich werd’ mit dem Vater sprech’n, und vielleicht läßt sich ein Ausweg find’n, der das Land vom Waldkönig befreit, auch ohn’ daß der Feldbauer dabei zur Sprach’ kommen muß.«
    »Mach’s möglich, Frieder, und ich will Dir’s dank’n so lang ich leb’ und Athem hab’!«
    Sie schickte sich an, den Heimweg anzutreten.
    »Darf ich mitgeh’n, Martha?«
    »Ja.«
    Als sie die Stube verlassen hatten, trat der Bauer wieder herein.
    »Warum gingst’ fort, Vater?«
    »Weil mir’s die Marth’ angethan hat und ich ihr nix abschlag’n kann. Sie hat so einen Schick und so eine Stimm’, daß man thun muß, was sie bittet. Ich glaub’ gar, sie könnt’ mich herum bringen, den Waldkönig lauf’n zu lass’n!«
    »Und das magst’ wohl net?«
    »Auf keinen Fall!«
    »Dann strafst’ net ihn allein, sondern auch die Seinen, und zwar viel schlimmer noch als ihn. Er geht ins Zuchthaus, da thut ihm Niemand ‘was zu Leid; sie aber müss’n jede Stund’ von der Schand’ hör’n, die auf ihnen lastet.«
    »Das woll’n wir abwart’n, Frau! Ich nehm’ sie in den Schutz, und wer sie nur mit dem kleinst’n Laut, mit dem stillst’n Blick beleidigt, der hat’s mit mir zu thun. Sie Beid’ sind Goldes werth, und ich bin neugierig, ob der Frieder net das Aug’ aufthut. Ein Madel wie die Marth’ giebt’s nimmer wieder!«
    Die Beiden, von denen hier die Rede war, gingen schweigend dem Feldhofe zu. An der Stelle, wo sie schon einmal gestanden hatten, hielt Martha die Schritte an.
    »Gut’ Nacht, Frieder!«
    »Warum so schnell, Martha?«
    »Hast net gehört, was Dein Vater sagt’?« »Er sei verflucht, taus’ndmal, millionenmal! Das ruht nun auch auf mir. Das Mörderkind darf net bei rechtschaff’nen Leut’n stehn. Geh fort von mir, Frieder, und auch ich will gehn, so weit meine Füß’ mich trag’n!«
    »Zürn’ dem Vater net! Er ist gar arg verletzt; aber sein Zorn dauert net ewig, und der Fluch kam nur aus zorn’gem Herz’n. Die Mutter versteht’s gar gut, ihn langsam weich zu stimmen, und ich wett’, sie ist schon jetzt dabei. Ein Mörderkind bist’ net, das darfst’ mir glauben! Der Feldbauer ist Dir fremder als der fremdest’ Mensch, und Du hast net den geringst’n Theil an ihm!«
    »Er ist der Mann meiner Mutter, das mußt’ bedenk’n, Frieder. Und wenn das Gericht kommt und ihn fortnimmt, so stirbt sie, und ich, ich sterb mit ihr.«
    Ihre Worte klangen nach jenem stillen, einwärts gekehrten Weinen, welches tieferen Eindruck macht als laut hinausgeschluchzter Schmerz.
    »Das wär’ das Fürchterlichst’, das mir begegnen könnt’! Dein Leb’n ist mir werther als das mein’ge und für Dein Glück wollt’ ich gern das Schwerst’ erleid’n!«
    Er hatte ihre Hände gefaßt, und sie hörte an dem leisen Beben seiner Stimme, daß seine Worte keine Unwahrheit enthielten.
    »Sprich nimmer so. Ich darf Dir doch net werth sein, Frieder!«
    »Wer kann’s verbiet’n, wenn Du’s sein willst? Kein König und kein Kaiser!«
    »Du selber!«
    »Ich? Wär’ jeder Stein im Gebirg’ eine That, die auf dem Gewiss’n des Waldkönigs liegt, und jeder Baum im Wald das Zeich’n eines Verbrechens, das er begangen hat, so käm’ mir dennoch kein solch’ Verbot in den Sinn. Und wenn alle Welt auf Dich zeigt’ und Niemand nix von Dir wiss’n möcht’ um seinetwill’n, ich würd’ Dich ehr’n mehr als mich selber und Dich vertheid’gen geg’n jede Silb’, die wider Dich

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