Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Verdacht doch eigentlich ausgeschloss’n. Wer sich unsicher fühlt’, blieb daheim; wer ein gut’s Gewiss’n hatt’, konnt’ sich sehen lass’n. Doch, da hängt der Knecht die Latern’ heraus; das ist das Zeich’n, daß gesattelt ist.«
»Er wird doch net aufpass’n, wer mit aufsitzt?« frug der Blinde. »Meine Leut’ sind gut und treu; aber besser ist besser, und vor Austrag der Sach’ darf Niemand net erfahr’n, was heut im Bachhof vorgegangen ist.«
»Laß mich sorg’n Vater! Der Herr Lieut’nant geht durch die Pfort’ voran und steigt erst auf der Straß’ zu Pferd’. Ist’s gefällig?«
Der Genannte legte die Pfeife weg und nahm Abschied. Er gewann unbemerkt die Straße und hörte bald Frieder hinter sich hergetrabt kommen. Als dieser ihn erreichte, schwang er sich auf.
Es war längst Mitternacht vorüber; die Erde lag in tiefer Ruhe und nur hier und da funkelte ein einsames Licht vom dunklen Himmel herab.
»Wissen Sie, daß ich mich beinahe vor Ihnen fürchten möchte?«
»Warum?« lächelte Frieder.
»Weil in Ihrem Körper eine solche Masse von Elementarkraft aufgespeichert liegt. Der Name Goliath gehört schon Ihrem Vater mit vollem Recht zu eigen, Ihnen aber noch viel mehr. Wäre diese physische Stärke nicht mit so viel geistigem Vermögen gepaart, so könnte sie wirklich gefährlich werden, und ich darf Gott danken, daß ich mich in Ihnen geirrt habe.«
»Der Waldkönig konnt’ ich doch unmöglich sein; er trieb sein Wes’n doch schon lang, bevor ich in der Heimath war.«
»Das ist schon richtig; aber Sie konnten sich seit Ihrer Rückkehr mit ihm verbündet haben. Ihr Auftreten dem Feldwebel und seinen Leuten gegenüber, das Umherschleichen im Walde, die Maske, der Revolver, Ihr heutiger, fingirter Besuch beim Förster, das Alles war für mich Grund, in der Nähe des Bachhofes selbst auf Ihre Rückkehr zu warten. Ich war zwar bewaffnet, waren Sie aber wirklich Derjenige, für welchen ich Sie hielt, ich hätte wohl keinen leichten Stand gehabt. Wer einen Kerl wie den Buschwebel durch das Fenster wirft, dem ist auch wohl zuzutrauen – – –«
»Daß er einen Lieut’nant zerbricht,« fiel Frieder scherzend mit einem Blicke auf die schlanke Gestalt seines Gefährten ein.
»Pardon, mein Lieber,« lachte dieser; »so weit wäre es denn doch wohl nicht gekommen, sintemalen Seine Majestät allerhöchst Ihre Offiziere weder aus der Porzellanfabrik noch aus der Glasbläserei zu beziehen pflegen. Ich hätte mich auch ein wenig gewehrt, wie man zu thun pflegt, wenn es Einem an den Kragen geht. Doch, Scherz bei Seite! Wie stark ist die Bande des Königs?«
»Neunzehn Mann.«
»Und sie gehen stets gut bewaffnet?«
»Mit Büchs’ und Messer.«
»Und im Vorrathsraume befinden sich auch noch Gewehre?«
»Eine ziemlich’ Zahl.«
»So werden wir wohl einen harten Stand bekommen!«
»Ich fang’ sie ganz allein, wenn’s verlangt wird.«
»Oho! Dazu reicht wohl selbst Ihre Riesenstärke nicht aus.«
»Warum net? Es kommt ganz d’rauf an, wie man’s beginnt.«
»Nun wie?«
»Erst thu’ ich den König ab; das ist net schwer, und sodann stell’ ich mich vor den Eingang und geb’ Jedem, wenn er kommt, so viel, daß er genug hat. Aber solch’ eine Anstrengung ist ja gar net nothwendig, und ich geb’ auch zu, daß es oft net so glatt geht, wie man sich die Sach’ ausgedacht hat. Wir reit’n zum Herrn Amtshauptmann, dem ich den Waldkönig mit seiner ganz’n Band’ in die Hand geb’; er mag thun, was er für’s Best’ und Gutest’ hält. Will er ihn billig, so bin ich dabei, und will er ihn auf der That abfangen, so soll’s auch da net an mir fehl’n.«
»Das will ich gern glauben, Sie hätten statt der Feldhacke die Waffe wählen sollen; wir hätten einen ausgezeichneten Kameraden in Ihnen gefunden. Wenn ich bedenke, daß alle unsere Mühe vergebens gewesen ist, während es Ihnen, dem Einzelnen, gelang, ein festes, unzerreißbares Netz um die fürchterlichen Menschen zu schlingen, so möchte ich vor jeden Andern treten, nur nicht vor den Amtshauptmann.«
»Zufall, Herr Lieut’nant, und Verborg’nheit!«
»Zufall? Meinetwegen, aber die geschickte Ausnutzung desselben gibt ihm erst den Werth. Der Buschwebel ist auch am Stollen gewesen, grad wie Sie; aber Sie sind Meister der Situation, während er in der Falle steckt. Er ist sehr brauchbar, aber ein Poltron, und hat die empfangene Lehre verdient.«
Das Gespräch stockte jetzt; man hatte das Dorf erreicht und
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