Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
mußte am Schlagbaume halten. Es kam auch nicht wieder in regen Fluß, bis man zur Amtsstadt gelangte, wo sich eben die Thüren der Gasthöfe öffneten, um den über Nacht gebliebenen frühmunteren Fuhrleuten die Abfuhr zu gestatten.
Sie stiegen an einem derselben ab, übergaben die Pferde und nahmen einen warmen Frühtrunk zu sich. Dann begaben sie sich in das Amtshauptmannschaftsgebäude, wo sie den Chef wecken ließen. Er empfing sie mit finsterer Miene.
»Ist Ihre Angelegenheit von solcher Wichtigkeit, daß Sie mich im Schlafe stören?«
»Wir haben den Waldkönig fest.«
Diese wenigen Worte des Offiziers brachten den hellsten Sonnenschein auf dem Gesichte des Beamten so plötzlich hervor, daß Keiner der Beiden sich eines Lächelns zu erwehren vermochte.
»Was Sie sagen, mein bester Herr Lieutenant! Ich darf natürlich an der Wahrheit Ihrer Versicherung nicht den mindesten Zweifel hegen.«
»Welcher allerdings wenig oder gar nicht gerechtfertigt sein dürfte. Der Schmuggler befindet sich zwar noch nicht in unsern Händen, da wir es vorzogen, vorher die Befehle des Herrn Kreishauptmannes zu vernehmen, aber es bedarf wirklich nur dieser letzteren, um ihn mit seiner ganzen Bande der Gerechtigkeit zu übergeben.«
»Sie liefern damit einen dankbaren Beweis Ihrer Umsicht, und ich nehme keinen Anstand, zu bemerken, daß man vollständig überzeugt war, die Ihnen gewordene Aufgabe den besten Händen anvertraut zu haben.«
»Denen es leider erst von jetzt an gestattet sein wird, an der Aktion Theil zu nehmen. Hier dieser Herr hat ganz allein, ohne jede Beihülfe und aus eigenem Antriebe die Aufgabe gelöst, während ich bis heut noch nicht den mindesten Fortschritt zu verzeichnen vermochte.«
»Ah!« machte erstaunt der Beamte, indem er den Zwicker auf die Nase schob und Frieders Person, die er erst jetzt zu bemerken schien, einer nähern Betrachtung unterwarf. »Der Name wurde mir genannt, ich vergaß ihn wieder; bitte, Herr Lieutenant, stellen Sie mir den Mann doch einmal vor!«
Frieder, den diese Art und Weise belustigte, ließ es gar nicht dazu kommen. Er trat rasch einige Schritte vor:
»Ich bin der Bachfrieder aus Finsterwalde, Herr Amtshauptmann, und mein Vater ist der Goliath, den man im ganz’n Gebirg’ net anders als mit diesem Namen nennt.«
»So, so, so!« meinte der Angeredete, dessen kleine, schmächtige Gestalt bei dem so unerwarteten wie energischen Nähertreten der reckenhaften Figur Frieders wie erschrocken zurückgefahren war. »Den Goliath kenne ich. Der Waldkönig hat ihn geblendet und seinen ältesten Sohn erschossen.«
»Grad darum ist der König mir verfall’n. Wollt Ihr ihn hab’n? Ich bring’ ihn her!«
»Du bist ganz der rechte Sohn des Goliath, wie’s scheint. Ja, ja, Rauchfleisch und Kartoffelklöße thun auf dem Lande Wunder. Geist ist nicht nöthig, wenn nur der Körper gut gedeiht.«
»Grad’ umgekehrt wie in der Stadt, wo der Körper net nöthig ist, wenn nur der Geist bis in die Wolk’n wächst, net wahr, Herr Amtshauptmann?«
Er legte dem Männchen die Hand auf die Achsel und blickte mit unwiderstehlicher Freundlichkeit auf ihn hernieder. Der Gefragte trat, um dieser Berührung zu entgehen, noch einen Schritt zurück und wandte sich an den Offizier:
»Wollen Sie Ihren Bericht beginnen, Herr Lieutenant? Bitte, nehmen Sie Platz!«
»Darf ich ersuchen, diese Aufforderung an meinen Freund zu richten? Er ist in der Angelegenheit vollständig
au fait,
während ich mich dessen nicht rühmen kann.«
»Ihr Freund?« klang die verwunderte Frage. »Ich liebe eine kurze, sachgemäße Darstellungsweise, zu welcher dem Landbewohner die nöthige Schule entgeht.«
»Ich bitte dennoch,« fiel hier Frieder im besten Hochdeutsch und indem auch er sich gemächlich in den Sessel legte, ein, »um Ihre freundliche Erlaubniß zu der Beweisführung, daß Rauchfleisch und Kartoffelklöße keine schlechten Lehrmittel sind, wenn man ihre Wirkung mit dem Besuche einiger Universitäten unterstützt. Ich werde dabei so kurz und sachgemäß wie möglich verfahren!«
Er begann. Der Amtshauptmann, welcher sich trotz seiner Würde von dem Vorgange einigermaßen betreten fühlte, ließ ihn gewähren. Seine Aufmerksamkeit wurde zur Spannung, welche von Sekunde zu Sekunde wuchs, bis er seine Bewunderung nicht mehr zurückzuhalten vermochte.
»Aber Sie sind doch ein ganz erstaunlicher Charakter, dem man die größte Anerkennung zollen muß! Warum führen Sie Diejenigen, welche mit Ihnen
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