Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
freilich durch die Hoffnung erschüttert worden, welche der Arzt in ihr erweckt hatte, und je mehr sie sich derselben hingab, desto weher that ihr die scheinbare Gleichgültigkeit Goldschmidt’s, der nie das Zimmer betrat, welches sie hüten mußte. Seit heut früh wußte sie sogar, daß er fortgehe, und zugleich hatte ihr die Nachricht, daß ihm von Seiten der Werbung Gefahr drohe, Schrecken und Besorgniß verursacht.
So wandte sie sich in Zweifeln und Befürchtungen und konnte zu keiner Ruhe kommen. Da klopfte es leise an die Thür, und eine Stimme, bei deren Klange ihr das Blut in die Wangen stieg, fragte:
»Darf man eintreten?«
»Richard!«
»Ja, ich bin es. Ich kannte die trüben Gedanken Deiner Seele und bin gekommen, Dich noch einmal zu bitten: Vertraue Gott und mir!«
»Mir ist nicht Angst um mich.«
»Sondern nur um mich; ich weiß es. Aber ebenso weiß ich auch, daß diese Angst noch heut von Dir genommen wird, da möchte ich so gern eine Mahnung aussprechen.«
»Welche?«
»Wenn Deine Gefühle heut von einem recht glücklichen Ereignisse in Anspruch genommen werden, so sei stark, recht stark, damit die Aufregung nicht Dir und uns Allen den Erfolg der ärztlichen Behandlung vereitele. Komm, schließe Deine Augen!«
Er nahm ihren Kopf, schob die Binde zurück und berührte leise küssend die geschlossenen Lider. Dann zog er die Binde wieder herab.
»So, und nun sei der Allgütige mit seinem Segen bei Dir in dem Augenblicke, der Dir das Licht des Tages bringen soll! Und Eins noch wisse: An meinem Herzen ist Deine Heimath jetzt und immerdar, mag der heutige Tag Dir nun Erfüllung oder Versagung des heißesten unserer Wünsche bringen.«
»Es kommen Reiter die Straße her!« rief in diesem Augenblicke der Meister herauf.
»Richard flieh!«
»Nein, mein Kind! Diese Leute sind mir ungefährlich. Leb wohl für jetzt.«
Er nahm ihre Arme von seiner Schulter herab und entfernte sich. Sie hörte ihn in die Kammer gehen und dann raschen, klirrenden Schrittes die Treppe hinabsteigen und das Haus verlassen.
Es war eine Schwadron sächsischer Reiter, welche im Galopp von Chemnitz her in Ernstthal einrückte. Im Nu wurden die Häuser besetzt und die Bewohner keinen Augenblick lang über den Zweck dieses eiligen Besuches in Ungewißheit gelassen. In Zeit von einer halben Stunde waren alle hier in Arbeit stehenden fremden Gesellen auf dem Marktplatze zusammen getrieben und mit der Soldatenmütze bedeckt, was in jener Zeit ein unwiderlegliches Zeichen der Militairangehörigkeit war.
»Wort gehalten, Krieben! Hier bin ich und bringe Dir, wie ich heut Morgen versprach, auch den Rapphengst mit, der allerdings unverbesserlich ist. Nimm ihn wieder hin, er ist nicht zu gebrauchen.«
Es war der Junker, welcher auf einem jungen, feurigen Trakehner saß und statt des blauweißen Cavalieranzuges Offiziersuniform trug.
»Willkommen, Bredenow! Wie steht es mit Deinem Schätzchen und mit unserm Fahnenschmied? Wir haben alles Disponible beisammen und noch sehe ich ihn nicht dabei.«
»Werde ihn schon bringen, aber allein konnte ich gegen diesen Kerl doch nicht gut etwas ausrichten. Sind die Wagen besorgt?«
»Jawohl, eine wahre Equipage für die beiden Frauen und ein Bagagewagen für das Uebrige. Der Kutscher hat Weisung, in der Nähe des Hauses zu halten und wartet jedenfalls schon längst auf Dich.«
»Schön. Ich werde den Burschen jedenfalls bei den Weibern finden, da er so außerordentlich auf die Rolle eines Schutzgeistes passionirt ist. Aber gieb mir der Sicherheit wegen ein kleines Detachement Deiner Leute mit.«
»Dort halten sie, lauter auserlesene Riesen. Mit ihnen wird er es wohl nicht aufnehmen.«
Weißpflog war mit dem Rufe, daß Reiter kämen, in die Stube zurückgeeilt und hatte den sich entfernenden Gesellen gar nicht gesehen. Nur einige Minuten nach dem Einreiten der Schwadron drangen einige Reiter auch in sein Haus und fragten nach jungen Leuten. Er führte ihnen die anwesenden Bewohner vor, und da das Gesuchte hier nicht zu finden war, rückten sie unverrichteter Sache wieder ab. Als er ihnen nachblickte, bemerkte er in der Nähe zwei Geschirre, welche unter militärischer Eskorte da hielten. Die Sache konnte ihm nicht auffällig sein, und so trat er wieder in das Wohnzimmer zurück.
Da ertönte nahender Hufschlag und eine zweite Abtheilung Reiter hielt vor der Thür. Die Leute saßen ab und traten ein. Mit Schrecken erkannte er in dem Offizier an der Spitze den Junker.
»Guten Tag,
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