Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Ihr oder gar mit dem vornehmen Sie angeredet werden.«
»Laßt’s nur immer beim Alten, Herr Kantor; Ihr seid ja mein Lehrer gewesen. Und auch der Balthasar will mir gar net recht klingen; ich bin der Balzer und will auch nix andres hör’n. Mit den frisch’n Kräften, da habt Ihr freilich recht, und ich würd’ auch gern dafür sorg’n, wenn ich nur net gar zu weit darnach zu gehen braucht’.«
»Ist es denn gar so weit?«
»Hinein ins Dorf und dann hinauf bis zur Schul’.«
»Bis zum Schulhause? Wie meinst Du das?«
»Weil da die Alwin’ wohnt.«
»Ah, was der Tausend! Gestern die Leiche im Hause und heut schon so aufgelegt zum Spasse?«
Der Kantor war ein tüchtiger Schulmann und besonders in Beziehung seines trefflichen Musikunterrichtes weithin berühmt; ebenso bekannt aber war er als ein Freund des greifbaren Besitzthumes, der nicht so leicht eine Gelegenheit, die ihm irgend welchen äußerlichen Vortheil bot, ungenützt vorübergehen ließ. Der Balzer war einer seiner aufgewecktesten Schüler gewesen und besaß eine Tenorstimme, die ihm der Kantor nicht niedrig anrechnete; ebensogut aber wußte dieser auch, daß der nunmehrige Teichbauer eine Reihe von Eigenschaften besaß, die nichts weniger als lobenswerth waren. Dennoch war dieser in seinen Augen als der Reichste im Orte ein sehr begehrenswerther Schwiegersohn, nur mußte man es verstehen, ihn unter gehörige Kontrole zu nehmen. Zudem war Alwine nach Ansicht ihres Vaters ein Mädchen, dessen Vorzüge selbst mit dem Werthe des Teichhofes nicht zu theuer bezahlt waren, und daher beschloß er, nur vorsichtig und zögernd zu verfahren.
»Und wenn’s nun net mein Spaß, sondern der richtige Ernst wär’, Herr Kantor?«
»Dann könnte man sich die Sache einmal überlegen.«
»Ueberleg’n? Warum? Ist Euch mein Hof zu gering, oder bin ich etwa net gut genug für die Alwin’?«
»Der Hof mag gehen; er wenigstens bleibt hübsch da, wo er ist und kann nicht im Wirthshause liegen oder sich im Walde herumtreiben. Mein Schwiegersohn soll ein Mann sein, vor dem die Leute Respekt haben.«
»Sagt mir einmal Jemand, der kaanen vor mir hat!«
»Das ist die rechte Art von Respekt nicht, Balzer, die Du bekommst. Die Sorte, die ich meine, bekommt nur Der, der Gesetz, Sitte und Anstand heilig hält.«
»Ach so! Und Ihr denkt, das bring ich nimmer fertig?«
»O doch, wenn Du nur willst; aber ich denke mir, Du hast bis jetzt noch nicht gewollt.«
»Nun gut, so werd ich’s von jetzt an woll’n!«
»Gilts wirklich?«
»Es gilt!«
»Schlag ein! Jugend hat nicht Tugend, das weiß ich ja am Besten, und ein tüchtig Weib kann auch einen etwas scheuen Mann in Ordnung halten. Die Alwine ist von dieser Art, nur muß auch ich dabei Etwas mit helfen dürfen.«
»Auf welche Weis’, Herr Kantor?«
»Ich müßte zum Beispiel Eure Wirthschaft durch eine strikte Buchführung unterstützen.«
»Wenn’s weiter nix ist! Geschrieb’n muß gar mancherlei werd’n, und wenn Ihr diese Arbeit an meiner Stell’ verricht’n wollt, so ist mirs recht. Ihr dürft ja nur ‘mal kommen und Euch die Sach’ beschauen.«
»Das werde ich schon nächstens thun, obgleich die Angelegenheit nicht eben pressirt, denn Ihr seid beide noch jung, wenigstens die Alwine könnte recht gut noch ein Jährchen oder zwei warten, und ehe das Trauerjahr nicht vorüber ist, darfst Du auch nicht an die Hochzeit denken.«
»Warum net dran denk’n? Man könnt’ doch immerhin darauf zurüst’n, und die Verlobung wenigstens, die darf doch gehalten werd’n.«
»Denkst Du vielleicht, es kommt Dir Jemand zuvor?«
»Das wär am End’ net unmöglich. Man sieht ja was man sieht.«
»Was meinst Du, he?«
»Ich mein’ net ‘was, sondern wen, den Silberheiner nämlich.«
»Pah, daran ist nicht zu denken. Sein Vater und ich sind immer gut nachbarlich Freund gewesen, und der Heiner ist mein bester Schüler, so lange ich im Amte bin. Darum habe ich mir allezeit Mühe mit ihm gegeben, so daß er in vielen Dingen gerade so viel gelernt hat wie ich. Seine Stimme ist noch besser als die Deinige, und im Dichten muß ich mich gar vor ihm verkriechen. Ich habe alle unsere Sängersleute zu unterrichten und zu prüfen, ehe sie die Reise antreten, und er geht mir dabei recht eifrig an die Hand. Er ist zu gebrauchen, und ich glaube gar, wenn er wollte, so könnte er sich ein eigen Chor zufammensetzen und mir Konkurrenz machen. Das Zeug dazu hat er vollkommen.«
»Das ist ja All’s recht schön, aber warum
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