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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu Seiten zwei Köpfe, welche mit Bleistift auf gewöhnliches weißes Schreibpapier gezeichnet waren. Sie stammten von dem Köpfle-Franz und trugen in gothischen Buchstaben die Unterschrift »Karl« und »Maria«. Die Frau war die einstige Magd auf dem Dukatenhofe und hatte zu ihrer Hochzeit ihr Bild und dasjenige ihres Bräutigams von dem Gegenstande ihrer ersten Liebe als Angebinde erhalten.
    Sie ließ plötzlich die Arbeit ruhen und horchte nach der Thüre. Ein Mann trat ein, der, das Alter abgerechnet, dem Bilde an der Wand auf’s Haar ähnlich sah.
    »Gut’n Abend, Mutterle! Da bin ich schon! Heut’ ist Sonnabend und da ist die Arbeit früher alle.«
    »Gut’n Abend, Vater! Ich hab’ net gedacht, daß Du schon jetzt zu Haus’ sein wirst. Die Erdäpfeln sind noch net ganz fertig; aber sie werd’n gleich koch’n!«
    »Schad’t nix! Ich schmauch derweil a wenig meine Pfeif’. Schon gut; ich bring’ die Stiefeln schon ganz selber ‘runter!«
    Sie leistete ihm beim Ausziehen Hilfe, legte einiges Holz im Ofen nach und kehrte dann zu ihrer Klöppelei zurück. Er hatte auf der Bank Platz genommen, stopfte sich mit behaglicher Bedächtigkeit die Pfeife und blies dann den Rauch des anspruchslosen Krautes mit einer Miene von sich, welche auf einen ganz außerordentlichen Genuß schließen ließ.
    »Hast’s schon gehört, Marie?« frug er.
    »Was denn?«
    »Hm! Ich sehe es schon, Du weißt noch nix, sonst hättest Du’s in den fünf Minut’n, die ich hier bin, schon längst vom Herz’n ‘runter.«
    »Ich bin heut’ gar net in’s Dorf gekommen, sondern blos bis hin zum Wassertrog. Was gibt es denn so grausam Neues?«
    »’S ist net blos eine, ‘s sind zwei Post’n, die ich bring’, die eine vom Dukat’ngraf und die andere vom Pascherkönig. Denk’ Dir nur, Mutter, der Dukatenbauer hat gestern Abend die Emma verspielt!«
    »Verspielt?! Wie denn? So ‘was ist doch gar net möglich!«
    »Freilich ist’s möglich! Er hat wieder ‘mal mit dem Baron und dem Zettelkramer drob’n bei dem Bergwirthe gesess’n, und als das Geld alle gewes’n ist, da haben sie erst um die neue Kutsch’ und nachher um die letzte Ernte und endlich um die Emma gespielt.«
    »Das ist doch fast gar net zu glaub’n! Es kann doch Niemand sein eigen Kind verspiel’n!«
    »Das kommt nur d’rauf an, wie’s ausgemacht ist. Der Zettelkramer hat die Kutsch, der Bergwirth die Ernte und der Baron die Emma, die nun seine Frau werd’n muß.«
    »Mein Gott, das arme Kind kann mich grad’ dauern. Von so einem gotteslästerlichen Handel hat man doch noch niemals nix gehört! Ich bin nur begierig, wie lange der Heinrich es noch treib’n wird! Nun hat er doch geprahlt mit seiner Staatskaross’! Und die Ernte, die ganze, mühsame Ernte! Was er gehabt hat, das muß doch nun bald alle sein, und man möchte sich nur wundern, wo er’s noch immer hernimmt!«
    »Ja, man glaubt’s aber auch net, was in so ‘nem Gute Alles steckt! Man soll Niemanden ‘was Böses gönnen, aber wenn’s mit Dem ein Ende nimmt, so hat er’s selbst verschuldet und vielleicht auch verdient.«
    Sie nickte zustimmend und mit ernster werdendem Gesicht. Noch niemals war ein Wörtchen über ihre Lippen gekommen, aber sie wußte, daß an jenem für den Köpfle-Franz verhängnißvollen Abende der junge Bauer nicht mehr im Hause gewesen war, sie hatte ihn mit dem Gewehre fortgehen sehen, und doch war er gleich da gewesen, als das Unglück geschehen war. Damals hatte es eine schwere Zeit für sie gegeben; aber sie wollte jetzt nicht daran denken und frug darum:
    »Und die andere Neuigkeit?«
    »Auf dem Pascherkönig seinen Kopf sind dreihundert Thaler Prämie gesetzt word’n. Denk Dir’s nur, wenn man sich die verdienen könnt’!«
    »Den fang’n sie net, sonst hätt’n sie ihn schon längst. Kein Mensch weiß, wer er eigentlich ist, net ‘mal seine eig’nen Leut’. Er ist bald da, bald dort, hat niemals net dieselbige Figur, und – –«
    Sie wurde unterbrochen. Es klopfte laut an das Fenster und eine jugendlich frische Stimme rief:
    »Gut’n Abend, Vater, gut’n Abend, Mutterle!«
    »Der Wilhelm, der Wilhelm ist’s!« riefen Beide auf das Freudigste überrascht, indem sie von ihren Sitzen aufsprangen und nach der Thüre eilten.
    Dort trat ihnen der Unerwartete mit herzlichem Gruße entgegen. Er trug eine Soldatenuniform mit Unteroffiziersabzeichnung. Den Quersack, welchen er auf der Schulter gehabt hatte, bei Seite stellend, umarmte und küßte er die

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