Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
und her. Plötzlich aber blieb er stehen.
»Nein, noch ist net Alles verlor’n, noch gehört der Dukat’nhof mir und meine Knöpf’ und Kett’n darf ich behalt’n. Der Baron hat ja die Emma gewonnen! Damit hat er meinen Schad’n gewollt, aber es wird mir nur zu Nutz’n sein, denn er darf doch seinen eig’nen Schwäher nicht vom Hofe jag’n. Und darauf brauch’ ich mich nicht ‘mal ganz allein zu verlass’n. Ich hab’ heut’ Alles auf die letzte Kart’ gesetzt, und wenn’s gelingt, so ist der Gewinn grad so groß, wie aller Verlust bisher. So köstlich und theuer ist noch niemals ein stilles Gut über die Grenz’ geschafft word’n wie heut, und es muß geling’n, denn ich hab’ es schlau genug angestellt, daß wir net erwischt werd’n. Die Grenzer sind falsch berichtet und werd’n zwei Stunden weit von hier auf uns wart’n, während wir grad’ vom Dorf aus über die Berge geh’n. Das Geld dazu hab’ ich mit großer Müh’ zusammengebracht, aber ich kann es schon d’ranwag’n, denn es kommt doppelt wieder zurück!«
Er öffnete ein verborgenes Fach des Sekretärs und zog einige Packete und Beutel hervor.
»So, jetzt kann’s fortgeh’n. Die Kapuz’ hab’ ich im Wald, aber die Gewehr’ müss’n wir heut’ fortlass’n, weil wir so schon fast über uns’re Kraft zu tragen hab’n.«
Er schloß das Möbel wieder zu, verlöschte das Licht und stieg hinab. Mit den Jahren überlegter geworden, verließ er das Haus nicht durch die Hofthüre, wie es früher stets geschehen war, sondern er ging durch den Stall in die Scheune und trat durch den hinteren Ausgang derselben in den Garten.
Hier blieb er zunächst eine Weile stehen, um sich zu überzeugen, daß Niemand zugegen sei, der ihn bemerken könne. Früher war er nur aus reiner Neigung zuweilen durch den Forst gestrichen, um irgend ein Wild abzulauern; die Verluste im Spiele aber hatten ihn auf den Gedanken gebracht, sie durch einen lohnenden Nebenerwerb auszugleichen, aus dem Wilderer war ein Schmuggler geworden, und zwar ein Schmuggler, der es, ganz seinem Charakter angemessen, nicht auf gewöhnlichem Wege versuchte, sondern kühn und gewaltthätig sich den Gesetzen entgegenstellte und es in kurzer Zeit so weit gebracht hatte, daß der Name, welchen er sich beilegte, ebenso bekannt war, wie seine Person in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt blieb.
Durch die nächtlichen Abenteuer war sein Auge für die Finsterniß geschärft worden, und so bemerkte er, daß er nicht allein sei. Jener Klotz, welcher den Köpfle-Franz zum Krüppel gemacht hatte, war damals wieder in seine frühere Lage zurückgebracht worden; der Bauer hatte ihn nie verarbeiten lassen, obgleich der Bedarf dazu stets dagewesen war; es hatte sich etwas in seinem Innern, dessen Namen er nicht kannte, gesträubt, die Säge an das Holz zu legen, und so nahmen die beiden Stämme nach so langen Jahren immer noch dieselbe Stelle ein, welche sie früher innegehabt hatten. Auf ihnen saßen zwei Gestalten, welche sich umschlungen hielten.
Er mußte wissen, wer sie seien und schlich sich näher. Es gelang ihm, unbemerkt von ihnen so weit an sie heranzukommen, daß er sie nicht nur erkannte, sondern auch jedes ihrer Worte verstehen konnte.
»Nein, Emma, mit Gewalt ist hier nix auszuricht’n, denn Dein Vater ist ein harter Mann, den der Widerstand nur noch strenger machen würde. Im ersten Augenblick hätt’ ich gleich Alles niederschlagen mögen, aber als ich hernach hier saß und auf Dich wartete, da hab’ ich mir’s recht überlegt und bin dabei ruhiger geworden.«
»Und was soll ich denn thun?«
»Du mußt Ja sagen! Die Zeit ist zu kurz, als daß wir bis dahin einen anderen Ausweg find’n könnten, und die Verlobung ist noch lange net die Hochzeit. Bis die herankommt, wird der liebe Gott schon helf’n!«
»Aber, Wilhelm, ich bring’s doch am End’ net fertig! Denk’ Dir nur, wenn der Baron mich erfaßt und – und – und gar – – –«
»Und gar küss’n will, net wahr? Das ist Deine Sach’, Emma; mich an Deiner Stelle thät er net küss’n, das weiß ich! –«
»Da hab’ ich wohl auch noch ein Wort mit zu sag’n!« donnerte es da hinter ihnen. Sie sprangen erschrocken empor und sahen sich um.
»Der Vater!« rief Emma entsetzt.
»Ja, der Vater ist’s, Du ungerath’ne Dirn’! Gleich gehst hinein in die Stub’, sonst werd’ ich Dir den Weg dazu weis’n!«
Hier gab es keine Weigerung. Sie entfernte sich.
»Und Du, was thu’ ich denn
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