Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nix thun, hat er mir sagen lass’n, und da ist der Knecht zu Dir gelauf’n, weil Du Dich auf die schwarze und weiße Magie verstehst wie kaan And’rer net. Schau Dir nun doch ‘mal die drei Küh’ an, welche noch d’rin stehen; vielleicht kannst Du sie mir rett’n!«
    »Der Knecht sagt’, Du hast das Vieh gestern auf der Weid’ gehabt?«
    »Ja. Sie sind gestern aan ganz’n Tag d’runt’n auf der Moorwies’ gewes’n.«
    »Du bist wohl net recht klug, das arme Thierzeug auf das Moor zu treib’n? Und nun die große Sonnenhitz’ dazu; da versteht sich’s doch von selber, was d’raus werden muß! Was hast denn mit den zwaa todten Stück’n gethan?«
    »Sie lieg’n noch drüb’n im Schauer. Ich werd’ ihnen wenigstens die Häut’ abziehen lass’n.«
    »Nach dem, was ich mir denk’, hätt’st sie schon längst vergraben soll’n. Ich werd’ jetzt in den Stall geh’n. Oder hast vielleicht Angst vor mir?«
    »Geh’ nur immer hinein; es bleibt ja doch nix And’res übrig, und Du wirst mir als Schulkam’rad wohl net noch größer’n Schaden mach’n, als ich so schon hab’!«
    Haubold zuckte mitleidig die Achsel, öffnete die Thür zum Stalle und trat hinein. Eine dumpfe, üble Luft schlug ihm entgegen, so daß er sich fast wieder umgewendet hätte. Die drei Kühe standen betrübt an ihren Plätzen, drehten heftig die Köpfe und stießen von Zeit zu Zeit einen kurzen, stöhnenden Husten aus. Ihre Augen schwammen in Wasser, der Athem ging schnell und ängstlich, und die eingefallenen Flanken bewegten sich zitternd auf und nieder.
    »Komm’ ‘mal her,« gebot Haubold dem Bauer und strich der ihm nächststehenden Kuh mit der Hand die Seite entlang. »Hörst’, wie es knistert? Das ist der Milzbrand und kaane Hexerei. Nimm Dich in Acht; die Krankheit steckt auch Mensch’n an! Und nun paß auf, was ich Dir sag’!«
    Er griff in die Tasche seines Rockes und zog zwei Düten hervor.
    »Jetzt schickst’ sofort zum Richter und meldest, daß der Milzbrand bei Dir ist; das mußt Du, denn es steht so im Gesetz geschrieb’n. Die Scheck’ und die Kalbe gräbst’ mit Haut und Haar’ im Gart’n ein, so tief wie möglich, und thust Kalk darauf. Und die drei Rinder hier schaffst’ heraus an die frische Luft, wenn Du sie Dir erhalt’n willst. Ich hab’ mir’s wohl gedacht, daß es der Milzbrand ist, und Dir darum gleich die richtige Medicin mitgebracht. Hier kann Niemand helf’n, als nur wieder ‘mal der Teufelsbauer allein, und Deinem gelehrt’n Thierarzt darfst Du sag’n, daß er aan Pfuscher ist! Schau her, hier sind zwaa Düt’n. Von der erst’n giebst Du alle drei Stund’n aan’n Eßlöffel voll in Wasser und von der andern gleich darauf halb so viel in Honig eingerührt. Aber komm dieser net mit Feuer zu nah’; ‘s ist Schießpulver dabei!«
    »Ich werd’s so thun, Haubold; aber das von dem Milzbrand’, das machst Du mir doch net weiß! Schießpulver hilft bloß geg’n Teufelsspuk, und Du hast Dich also ganz von selber verrath’n. Aber hab’ Dank für –«
    »Schon gut, schon gut! Deinen Dank, den brauch’ ich net, und Deine Gescheitheit, die heil’ ich net. Was Du sonst noch zu thun hast, das kannst Du auch ohne mich verricht’n. Leb’ wohl!«
    Ohne auf die weiteren Reden des Anderen zu achten, entfernte er sich mit raschen Schritten und schlug jetzt einen Weg ein, welcher ihn hinter dem Dorfe, die Gärten entlang, nach Hause führen mußte. Seine Gemüthsruhe war von dem seltenen und nur aus reiner Theilnahme unternommenen Ausfluge bedeutend erschüttert worden; er sehnte sich nach Einsamkeit und fand dieselbe hier auf dem stillen Pfade eher, als auf der belebten Dorfstraße, wo jede Erscheinung darauf angelegt zu sein schien, die in ihm wohnende Bitterkeit zu steigern.
    Die Kirchenglocken riefen zum Nachmittagsgottesdienste. Der Eindruck ihres erhebenden Klanges wollte auch hinab in sein Herz dringen. Er blieb stehen und lauschte. Wie viele Jahre waren wohl verflossen, seit er zum letzten Male das Gotteshaus betreten hatte! Und wer trug die Schuld, daß er die Menschen mied, sogar an dem Orte, an welchem die Feindschaft und der Haß des Erdenlebens niemals Zutritt finden sollten? Er strich mit der Hand über die umwölkte Stirn und schritt weiter. Die Glocken waren verstummt; jetzt erhob wohl die Orgel ihr majestätisches Brausen, und die Gemeinde stimmte eines jener Lieder an, in denen jede Strophe, jeder Vers von Liebe und vom Frieden predigt. Wer doch dieser Liebe

Weitere Kostenlose Bücher