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Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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anderen Dingen Platz gemacht.
    Bevor eine Frau ein Kind gebären konnte, musste sie bei einem Mann liegen. Also musste seine Mutter mit dem König das getan haben, was sie mit seinem Vater tat und die Melkmagd Alfreda mit dem Pferdeknecht Mark, weshalb sie jetzt einen Bauch von der Größe eines Fasses hatte. Die Vorstellung ließ ihn erschauern. Hatte seine Mutter tatsächlich das Lager des Königs geteilt? Er wollte es nicht glauben, dennoch musste es so gewesen sein, sonst hätte er ja nicht diesen Bruder, in dessen Adern so edles Blut floss – und der jetzt scheinbar zusammen mit seinem Vater in Deutschland als Geisel festgehalten wurde. Diese Erkenntnis löste weitere Emotionen in ihm aus. Zwischen Hugh und seinem Vater bestand eine starke Bindung, aber was, wenn sich während seiner Abwesenheit etwas daran änderte? Was, wenn sein Halbbruder seinen Platz einnahm?
    Hinter einem der Fässer raschelte es plötzlich, und ein knurrender Tib sprang in die Höhe, packte zu und schleuderte eine riesige Ratte durch die Luft. Der sterbende Nager landete auf Hugh, der mit einem Schrei hochschoss und das Tier von seiner Brust fegte. Tib verbiss sich noch einmal in seine Beute, gab sie frei und sah Hugh schwanzwedelnd an.
    »Guter Hund«, lobte Hugh ihn trotz des erlittenen Schreckens und wischte sich einen Tropfen Wein von der Brust. »Guter Hund.« Es war ein trächtiges Weibchen, viel wertvoller als eine männliche Ratte. Hugh hob sie an ihrem dünnen Schwanz hoch und trug sie ins Freie, und als er sie auf einen Misthaufen
warf, dachte er, dass sein Halbbruder so etwas wahrscheinlich noch nie getan hatte. Genauso unwahrscheinlich erschien es ihm, dass er jemals in ein unterirdisches Gewölbe geschlichen war, um Wein aus einem undichten Fass zu trinken.
    Er spazierte mit dem Hund über das Burggelände und blieb stehen, um den Steinmetzen bei der Arbeit zuzusehen, verspürte aber heute keine Lust, sich zu ihnen zu gesellen. Auch Alexander beobachtete die Männer. Wegen der Hitze hatte er erneut die Hemdärmel hochgekrempelt, sodass die Narbe zu sehen war.
    »Deine Mutter sucht dich«, sagte er. »Sie ist in die Kirche gegangen, um für die Sicherheit deines Vaters zu beten und für die deines Bruders.«
    Hugh starrte zu Boden. Alexander legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie aufmunternd. »Du weißt, wie man im Mannesalter die Last der Verantwortung trägt, Junge.«
    Hugh schielte hoch, um zu sehen, ob Alexander gönnerhaft auf ihn hinablächelte, aber der Hafenmeister wirkte vollkommen ernst. »Dein Vater wäre stolz auf dich … und ich weiß, dass deine Mutter es ist.«
    Hugh erwiderte nichts darauf, sondern fuhr fort, seine Schuhspitzen zu betrachten.
    »Du hast den Mut eines Löwen, weil du deinen beiden Elternteilen nachgerätst. Ich kenne nicht viele Menschen, die so mutig sind wie sie – und aus Gründen, die du verstehen wirst, wenn du älter bist.«
    »Wem schlägt denn mein Halbbruder nach?«, erkundigte sich Hugh.
    Alexander musterte ihn abschätzend, dann schüttelte er den Kopf.
    »Das weiß ich nicht, da ich ihm nie begegnet bin. Ich muss abwarten, genau wie du.« Er deutete auf seinen vernarbten Arm. »Willst du die Wahrheit wissen? Mein Bruder hat kochenden
Haferbrei über mir ausgeschüttet, als wir Kinder waren. Wir hatten gestritten, worüber, weiß ich nicht mehr, aber plötzlich packte er den Kessel und schüttete mir den glühend heißen Brei über den Arm. Ich habe ihm schon lange verziehen, aber ich weiß nicht, ob er sich selbst je verziehen hat.«
    Hugh war nicht sicher, was Alexander ihm zu verstehen geben wollte – wenn er das überhaupt beabsichtigte. Der Hafenmeister zauste Hughs Haar. »Geh jetzt zu deiner Mutter, aber an deiner Stelle würde ich vorher etwas Minze aus eurem Kräutergarten kauen. Sie könnte sonst fragen, womit du dir die Zeit vertrieben hast.«
    Hugh errötete, aber als Alexander grinste, grinste er zurück.

32
    Speyer, Deutschland,
Januar 1194

    Roger beugte sich im Sattel vor, um einem tief herabhängenden Ast auszuweichen, und lenkte seine rotbraune Stute mit einem anspornenden Ruf nach rechts. Sie reagierte, indem sie die Ohren anlegte und in einen schnellen Trab verfiel. Raureif überzog die kahlen Zweige und Äste und glitzerte wie feine Zuckerkristalle auf den Stechpalmenbüschen und moosüberwucherten umgestürzten Bäumen. Sein Atem bildete weiße Wölkchen in der Luft, als er der Jagdgesellschaft hinterherjagte, die einen Keiler durch die

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