Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
da er wusste, dass der König auf dem Weg nach Winchester dort Halt gemacht hatte. »Ist er nicht wunderschön?« Hugh liebte diesen Schrein und wurde nie müde, die Handwerkskunst zu bewundern.
»Doch, er ist wirklich sehr schön«, stimmte Longespee zu. »Aber nicht mit dem Dreikönigenschrein in Köln zu vergleichen.«
Hugh biss die Zähne zusammen. Er wusste nicht, ob er soeben herausgefordert oder vor den Kopf gestoßen worden war.
»Mein Vater hat für den König das Banner des heiligen Edmund in die Schlacht getragen«, verkündete er stolz.
Sein Halbbruder verzog die Lippen zu einem herablassenden Lächeln.
»Mein Vater war der König.«
Hugh runzelte die Stirn. Seine Mutter hoffte inständig, dass das Treffen erfolgreich verlaufen würde, das wusste er, aber wie sollte das gehen, wenn sein Halbbruder ein so eingebildeter Geck war? Er hatte erwogen, ihm die Welpen zu zeigen, die die Lieblingsjagdhündin seines Vaters geworfen hatte, aber Longespee würde vermutlich nur affektiert lächeln und behaupten, dass er in Deutschland oder am Hof seines Bruders viel schönere gesehen habe. Und plötzlich mochte Hugh nichts mehr mit ihm teilen.
»Ich bin bei der Krönungsfeier einer der Sänftenträger des Königs«, prahlte Longespee.
»Mein Vater trägt König Richards Schwert in die Kathedrale«, schoss Hugh zurück. Er kam sich vor wie beim Wetten, der Einsatz wurde höher und höher, bis man am Ende nichts mehr hatte.
»Und was tust du?«, fragte Longespee.
Hugh sah ihn unverwandt an.
»Ich stehe neben meiner Mutter«, gab er zurück und registrierte mit einem schuldbewussten, aber befriedigenden Triumphgefühl, dass dem älteren Jungen das Blut in die Wangen stieg.
Ihr Besucher musste sich kurz darauf verabschieden, weil für die symbolische Krönung noch viel vorbereitet werden musste und alle, die damit betraut waren, nicht mehr wussten, wo ihnen der Kopf stand.
Ida knickste erneut, und er küsste ihr formell die Hand.
»Du musst uns unbedingt einmal in Framlingham besuchen«, drängte sie.
»Das würde ich sehr gern tun, Madam.« Die Antwort war aufrichtig gemeint und keine bloße höfliche Floskel. Abgesehen von seiner instinktiven Abneigung gegen Hugh hatte Longespee es genossen, dass die Kleinen ihn bewundert und als Erwachsenen betrachtet hatten. Er hatte nicht vor, von nun an ständig bei seinen Bigod-Verwandten herumzusitzen, wo doch seine königliche Verwandtschaft so viel glanzvoller war, aber eine seiner Fragen war beantwortet. In vieler Hinsicht war er froh, dass er nicht inmitten dieser Brut aufgewachsen war – am Ende hätte er dann noch Dinge getan, die sich mit seiner Würde nicht vereinbaren ließen. Zugleich hatte ihm die Erkenntnis, wie sehr seine Halbgeschwister geliebt wurden, einen Stich versetzt. Mit dem erleichternden Gefühl, etwas hinter sich gebracht zu haben, schwang er sich in den Sattel und lenkte sein Pferd zum Palast zurück. Er würde nach Framlingham kommen, um seine Mutter zu besuchen, aber immer als der Sohn des Königs, nicht als Halbbruder der Erben von Norfolk.
Nachdem William Longespee aufgebrochen war, ging Hugh alleine los, um nach den Welpen zu sehen, und William und Ralph folgten ihm nach einer Weile. Letzterer schwang ein imaginäres Langschwert über seinem Kopf.
Roger nahm Idas Hand.
»Es wird im Lauf der Zeit leichter«, sagte er. »Heute wussten alle Beteiligten nicht recht, wie sie miteinander umgehen sollten, weil es ein vollkommener Neuanfang war.«
Sie nickte nachdenklich. »Ich hoffe es.«
Roger zog sie an sich.
»Er hat viele gute Eigenschaften«, meinte er. »Er ist mutig, hat Ehrgefühl, reitet ausgezeichnet und beklagt sich nicht über die Strapazen des Reisens. Und er verfügt über Ausdauer und Entschlossenheit.«
»Versuchst du, Bitteres durch Lobeshymnen zu versüßen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ganz und gar nicht. Aber seitdem ist so viel Wasser den Bach hinuntergeflossen und hat uns weit von unserem Ausgangspunkt fortgetrieben. Du kannst die Vergangenheit nicht in einem Netz einfangen und neu erfinden.«
»Das liegt auch nicht in meiner Absicht.«
»Nein?«
»Nein. Ich will die Löcher im Netz flicken, damit die Zukunft nicht hindurchschlüpfen kann.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob so etwas möglich ist.« Roger küsste sie auf die Schläfe, um seinen Worten die Härte zu nehmen. »Er ist auf seine königliche Verwandtschaft fixiert. Ich denke zwar, wir haben die größten Risse geflickt, aber erwarte jetzt keine
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