Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
sie ihre Rolle perfekt und lächelte ihm sogar zu, als sie ihre Kammer erreichten. Er nahm ihre kleine, blasse Hand und küsste erst ihren Handrücken und dann den Ehering. Er war eigens für ihren zierlichen Ringfinger angefertigt worden. Später, wenn sie zur Frau herangereift war, würde sie andere, kunstvoll gearbeitete und mit Juwelen besetzte Ringe bekommen. Er würde sie wie einen kostbaren Schatz behandeln, denn sie würde ihm zu Macht und Einfluss verhelfen.
»Mylady«, sagte er mit formeller Höflichkeit. »Ich wünsche Euch eine gute Nacht und werde Euch morgen früh aufsuchen.«
Es gefiel ihm, dass sie mit einem Knicks antwortete, bevor sie sich mit sittsam gesenktem Blick in ihre Kammer zurückzog. Der Riegel wurde mit einem leisen Klicken vorgeschoben, und Longespee und die Zeugen kehrten in die Halle zurück, um dort weiterzufeiern.
Longespee nahm seinen Platz auf dem Podest wieder ein und sah zu, wie seine Gäste sich zu einem Rundtanz aufstellten. Eigentlich hatte er sich ihnen anschließen wollen, aber in seinem Kopf schwirrte es, und er brauchte einen Moment Zeit, um seine Gedanken zu ordnen.
Er war mit der Verbindung mit Ela of Salisbury sehr zufrieden, weil er dadurch zu einem Mann von Rang, einem Earl wie
sein Onkel Hamelin und William Marshal wurde, mit dem er jetzt per Gesetz verwandt war. Obwohl er noch nicht offiziell gegürtet worden war, beabsichtigte er, seinen neuen Titel schon jetzt zu führen. Sein Hunger nach Sicherheit und Anerkennung war stärker als der Wunsch, auf eine formelle Bestätigung zu warten.
Sein Blick fiel auf den ältesten Bigod-Sohn, der sich unter den Tänzern hervortat. Hugh bewegte sich anmutig und geschmeidig, sein Haar schimmerte im Kerzen-und Fackelschein wie gesponnenes Gold. Er hatte eine Magd zum Tanz aufgefordert, die sich errötend und lachend seiner Schrittfolge anpasste. Williams Lippe kräuselte sich. Es konnte nichts Gutes dabei herauskommen, wenn man die Dienerschaft wie Gleichgestellte behandelte.
Es wurmte Longespee, dass er durch seine Heirat zwar in den Besitz einer Grafschaft gelangt, sein Vater ein König gewesen und sein Bruder ein im ganzen Reich berühmter Herrscher war, dieser dümmliche, herumhüpfende Junge aber dank seiner legitimen Geburt einmal die Grafschaft Norfolk erben würde, das einstige Königreich der Ostanglier. Sein Vater baute in Framlingham eine mächtige Burg und besaß hundertdreiundsechzig Ritterlehnsgüter, er nur fünfundsechzig. Es war nicht gerecht, dass dieser Luftsprünge vollführende Tölpel ein solches Erbe antreten durfte. Sein Magen krampfte sich zusammen, als Hugh sich aus der Gruppe löste, spontan Idas Hand ergriff und sie mit sich zog. Sie versuchte sich lachend loszumachen, doch er ließ keine Weigerung gelten, und endlich gab sie wie ein junges Mädchen errötend nach. Der anbetende Blick, mit dem sie Hugh bedachte, verursachte Longespee Übelkeit. Er tröstete sich und dachte, dass er sich heute wahrscheinlich genauso aufführen würde wie dieser Bauernjunge, wenn sie ihn großgezogen hätte, aber dennoch nagte der Anblick der beiden
an ihm. Er hatte vorgehabt, seine Mutter selbst zum Tanz aufzufordern, aber natürlich dem Anlass entsprechend mit würdevoller Haltung. Jetzt würde er überhaupt nicht mehr tanzen.
Mit zusammengepressten Lippen beschloss er, jeglichen Gedanken an Hugh wie einen Schmutzfleck auf seinem Umhang fortzuwischen. Jeder, der Augen im Kopf hatte, konnte sehen, in wessen Adern das vornehmere Blut floss.
38
Framlingham,
April 1199
Ida verschränkte die Arme und blickte sich in der neuen großen Halle um. Sie lag auf der Westseite des Gebäudekomplexes und konnte bezogen werden, sobald sie den Transport der Möbel aus der alten Halle, die als Gästehaus dienen sollte, in die Wege geleitet hatte.
Sie war mit dem Neubau sehr zufrieden. Dank der zahlreichen Fenster, die später noch verglast werden würden, würde der Raum den größten Teil des Tages in helles Licht getaucht sein. Direkt an die Halle sollte sich ein Garten anschließen, und eine kleine Seitenpforte ermöglichte es, direkt von hier aus zum See hinunterzuschlendern und die Schwäne und Enten auf dem Wasser zu beobachten. Ida hatte die Dekoration und das Einrichten der Halle übernommen, und nachdem sie sich von der Geburt einer dritten Tochter Anfang Februar erholt hatte, war sie bereit, ihre Aktivität auch auf andere Bereiche auszudehnen.
»Wir müssen die Halle in den Farben deines Vaters halten«,
sagte
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