Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
unbekannten Mann, der sich etwas abseits hielt.
Inständig hoffend, Roger möge sich beeilen, überquerte Ida den Hof und sah zu, wie sich ihre ungebetenen Gäste in der alten Halle auf den Bänken vor dem Feuer niederließen.
Gundreda fuhr fort, Giftpfeile abzuschießen.
»Wie gelingt es denjenigen, deren Truhen nicht unerschöpflich sind und denen der König nicht sein Ohr leiht, Gerechtigkeit zu erlangen?«
Ida war nicht gewillt, dies widerstandslos hinzunehmen. Sie wies Marie an, die Kissen aufzuklopfen und Wein zu servieren, dann entgegnete sie scharf:
»Ich habe am Hof gelebt, Mylady, und ich habe ein gutes Gedächtnis. Ich weiß alles über Leute, die versuchen, sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln beim König Gehör zu verschaffen. Offensichtlich lässt Euer Gedächtnis in diesem Punkt zu wünschen übrig.«
Gundreda rümpfte die Nase.
»Mein Gedächtnis sagt mir, dass es nicht gerade das Ohr des Königs war, das Euch zu Eurem hohen Rang am Hof verholfen hat, Base.«
Ida rang nach Atem.
»Ihr wisst nichts über meine Stellung dort, und Ihr habt keine Ahnung, was ich erdulden musste.«
»Was Ihr erdulden musstet?«, spottete Gundreda. »Wenn man für ein Leben in Luxus keinen höheren Preis zahlen muss, als einmal kurz die Beine zu spreizen, dann wünschte ich, ich hätte es auch einmal so gut gehabt.«
Ida wich zurück, als habe Gundreda sie geschlagen.
»Wie könnt Ihr es wagen!«
Gundreda schüttelte den Kopf, mit einer Miene, als sei sie der ganzen Welt überdrüssig.
»Ich kann es wagen, weil ich nichts zu verlieren habe. Und wenn Ihr meint, es wäre ein so schweres Los, ein paar Jahre lang die Zudringlichkeiten eines Königs zu ertragen, dann hättet Ihr zwanzig Jahre mit Hugh Bigod verbringen und noch einmal zwanzig Jahre um das kämpfen sollen, was Euch rechtmäßig zusteht. Ihr seid es, die nichts wisst … Countess.«
Einen Moment lang wurde Ida von einem Schwindelgefühl überwältigt, doch dann nahm sie all ihre Kraft zusammen und besann sich auf die Frau hinter dem verängstigten Mädchen, auf die Ehefrau und Mutter, auf die Countess.
»Das sind böse Worte«, erwiderte sie mit eisiger Ruhe. »Es gibt Abschnitte in meinem Leben, die Ihr nicht bewältigt hättet,
aber trotzdem bedauere ich es, dass Ihr Euch in einer so misslichen Lage befindet. Außerdem seid Ihr sicherlich nicht gekommen, um Eurer Bitterkeit Luft zu machen, Base.«
In die Enge getrieben sah Gundreda sich gezwungen, einen Rückzieher zu machen. Ida bemerkte, dass ein Anflug von Ärger über ihr eigenes Verhalten über das Gesicht der älteren Frau huschte.
»Nein«, erwiderte sie steif. »Das bin ich nicht, aber ich werde mich auch für nichts entschuldigen, was ich gesagt habe.«
»Dann sind wir uns zumindest in einem Punkt einig.« Ida neigte den Kopf. Marie starrte sie mit großen Augen und offenem Mund an, was Ida in ihrer Überzeugung bestätigte, dass sie richtig reagiert hatte. So lernte ihre Tochter von ihr, wie man unangenehme Situationen meisterte.
Roger und Hugh kamen aus dem Stall zurück. Hugh zupfte Strohhalme von seinem Umhang, Roger rollte die Ärmel seiner Tunika herunter. Er musterte die Besucher und begrüßte sie mit kalter Höflichkeit.
»Was verschafft uns das Vergnügen?«, fragte er.
»Das werdet Ihr sicherlich wissen, Mylord«, entgegnete Gundreda mit harter Stimme.
»Nun, ich weiß, dass dies kein freundschaftlicher Besuch ist, obwohl ihr gern zum Essen bleiben und eure Pferde versorgen lassen könnt.« Rogers Blick wanderte zu Gundredas zweitem Begleiter. »Ich glaube, Eure Bekanntschaft habe ich noch nicht gemacht, Messire.«
Der junge Mann verneigte sich.
»Ich bin Ranulf FitzRobert. Lady Gundredas Mann war mein Großonkel.«
Roger runzelte nachdenklich die Stirn. Dies war also der Enkel des früheren Justiciars. Der junge Mann stand zwar noch unter Vormundschaft, war aber nach dem Tod zweier älterer
Brüder vor kurzem der Erbe einiger brauchbarer Ländereien in Yorkshire geworden. Roger hatte vorgehabt, sich ein genaueres Bild seiner Situation zu machen und Einzelheiten bezüglich des Erbes in Erfahrung zu bringen.
Gundreda schüttelte ungeduldig den Kopf.
»Ich habe nicht die Absicht, Euer Brot zu essen oder Euren Wein zu trinken«, fauchte sie. »Ich bin in einer geschäftlichen Angelegenheit hier, die keinen Aufschub duldet. Wenn ich mich nicht dazu gezwungen gesehen hätte, wäre ich bestimmt nicht gekommen.«
Roger ließ sich auf die Bank
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