Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
sie zu Marie, die neben ihr stand und zusah, wie ein paar Männer die Wände tünchten. Das leuchtende Rot und Gelb des Bigod-Banners, das kühn von den Burgmauern wehte, bot den Männern im Kampf zwar eine vorzügliche Orientierung, wirkte aber in einem Wohnraum alles andere als beruhigend. Vielleicht konnte sie den etwas grellen Eindruck mindern, indem sie satte Farben und edle Stoffe verwandte.
»Für die Schlafkammer nehmen wir Blau-und Grüntöne«, beschloss sie.
Marie neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. Das durch das Fenster fallende Sonnenlicht ließ ihre Zöpfe wie goldenes Feuer schimmern.
»Wir könnten in Ipswich ein paar neue Glasbecher bestellen«, schlug sie vor. »Die gleichen, die auf der Hochzeitstafel meines Bruders gestanden haben.«
Wie immer, wenn ihr ältester Sohn erwähnt wurde, machte Idas Herz einen kleinen Satz. Sie hatte ihn seit seiner Hochzeit nur selten gesehen, er hatte Wichtigeres zu tun als sie ständig zu besuchen. Gelegentlich kam er nach Framlingham oder zu ihren Landsitzen in Yorkshire – für gewöhnlich, wenn er ein neues Pferd brauchte oder auf die Jagd gehen wollte. Aber zu Weihnachten hatte er seine Kindfrau mitgebracht, und die gesamte Familie hatte am Feuer gesessen und gemeinsam gesungen. Ida hatte nichts als pures Glück empfunden. Auch Goscelin war mit seiner Frau Constance und ihren Kindern gekommen. Die warme Atmosphäre hatte die Feindseligkeit zwischen Hugh und William gemildert, es war kein böses Wort gefallen, und die Brüder hatten friedlich zusammen Weihnachtslieder angestimmt. Ein perfekter Abend, dachte Ida, ein flüchtiger, aber unvergesslicher Moment.
»Ja«, bestätigte sie. »Wir brauchen wirklich noch ein paar Becher und eine dazu passende Karaffe.«
»Ich möchte gar zu gern einen Wasserspeier haben«, bat Marie. »In Norwich habe ich einen in Form eines Löwenkopfes gesehen – mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht.«
Ida lachte.
»Löwen lächeln nicht!«
»Dieser schon.« Marie zog die Nase kraus und lachte ebenfalls. Ihre Augen, graublau wie die ihres Vaters, begannen zu funkeln. »Oder wir lassen einen anfertigen, der wie einer von Papas Hüten aussieht.«
Ida gab ihrer Tochter einen Rippenstoß, musste aber trotzdem kichern.
»So wie der mit der langen, spitz zulaufenden Krempe vielleicht – sie gäbe ein gutes Speirohr ab.«
Marie war wirklich unverbesserlich. Ida sah sich um und vergewisserte sich, dass ihr Mann sich nicht in Hörweite befand. Er war zu den Ställen gegangen, um nach einer trächtigen Stute zu sehen, die bald fohlen würde. Ihr Blick fiel auf den Haushofmeister Martin, der eine Frau und zwei Männer in die Halle geleitete. Ida kniff die Augen zusammen, damit sie sie besser in Augenschein nehmen konnte, und erstarrte, als sie Gundreda und ihren jüngeren Sohn erkannte. Ein anderer junger Mann, den sie noch nie gesehen hatte, begleitete sie. Er trug sein dichtes braunes Haar seitlich aus der Stirn gekämmt, und seine Augen leuchteten so tiefgrün wie Moosachate. Idas erster Impuls bestand darin, die drei augenblicklich aus der Halle zu weisen, aber ihr Verstand riet ihr davon ab. Sie mussten aus einem bestimmten Grund hier sein – und welchen Schaden konnten sie schon anrichten?
Marie musterte die Neuankömmlinge überrascht, aber ohne Feindseligkeit. Für sie waren es Fremde, denen sie noch nie begegnet war.
»Willkommen, Base«, sagte Ida so höflich wie möglich.
»Kommt in die andere Halle hinüber, ich werde Wein bringen lassen.« Sie deutete zur Tür.
Gundredas Nasenflügel bebten.
»Dies ist kein Höflichkeitsbesuch. Ich bin hier, um mit Eurem Mann zu sprechen.«
»Das sollt Ihr auch.« Sie drehte sich zu Martin um. »Ist der Earl verständigt worden?«
»Ja, Countess.«
Als Ida die Besucher zur Tür führte, blieb Gundreda stehen und ließ den Blick durch die Halle schweifen.
»Ein schönes Heim habt Ihr Euch hier geschaffen.« Es gelang ihr, das Lob wie blanken Hohn klingen zu lassen. »Ich sehe, welche Früchte die Gerechtigkeit der Justiz getragen hat.« Sie spie das Wort Gerechtigkeit aus wie eine Fischgräte.
Ida lächelte mit zusammengebissenen Zähnen.
»Gerechtigkeit ist allerdings der richtige Begriff.« Sie verlieh dem Wort bewusst eine andere Betonung. »Und mein Mann hat sehr lange darauf warten müssen.«
Gundredas Augen wurden schmal. Marie wirkte verwirrt, das ungehobelte Auftreten der Fremden irritierte sie, trotzdem wanderte ihr Blick immer wieder zu dem zweiten,
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