Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
sein, mir loyal zu dienen. Ihr werdet am Hof bleiben, und morgen übernehmt Ihr die Ländereien Eures Vaters, die nicht zur Debatte stehen, als Lehen von mir.«
»Sire«, nickte Roger. Er erkannte, dass die Audienz beendet war und er im Moment von Henry nicht mehr zu erwarten hatte.
Als er in die Halle zurückkehrte, grübelte er über das nach, was der König gesagt und was er nicht gesagt hatte. Die Dinge könnten beträchtlich besser stehen, aber er sah das philosophisch. Es hätte auch wesentlich schlechter laufen können. Framlingham war ihm sicher, ebenso seine Ansprüche auf Yarmouth und Ipswich. Seufzend straffte Roger innerlich die Schultern. Es gab Grund für zaghaften Optimismus, aber er würde wie ein Ochse für jede noch so kleine Belohnung schuften müssen.
In der Halle sang eine Gruppe von Frauen zur Unterhaltung ein fröhliches Lied über die Freuden des Frühlings. Roger blieb stehen, um zu lauschen, während er darum rang, sein inneres Gleichgewicht wiederzuerlangen. Er kannte das Lied flüchtig, es hatte einen mitreißenden Refrain und war raffiniert komponiert, und als er sich in der Musik zu verlieren begann, entspannte er sich allmählich.
Sein Onkel Aubrey gesellte sich zu den Zuhörern und stellte sich neben Roger. Er verschränkte die Arme vor der Brust und fragte, vom Gesang übertönt, wie das Treffen mit Henry verlaufen war.
Roger erstattete ihm Bericht.
»Ich habe nicht das erreicht, was ich mir erhofft habe«, schloss er, »aber das hatte ich nicht anders erwartet.«
De Vere runzelte nachdenklich die Stirn.
»Nicht immer gewinnt der Schnellste das Rennen. Du hast
das größere Anrecht. Warte ab, dann wirst du alles bekommen, was du willst.« Er legte Roger ermutigend eine Hand auf die Schulter.
Roger nickte und bemühte sich, eine gleichmütige Miene zu wahren, doch in seinem Inneren brodelte seine Ungeduld wie ein Kessel kurz vor dem Überkochen. Er hatte das Gefühl, dass er statt Wochen oder Monaten Jahre würde warten müssen und das Erlangen der Erlaubnis, Framlingham wieder aufzubauen, dem Versuch gleichkäme, Blut aus einem Stein zu quetschen.
Er zwang sich zur Ruhe, konzentrierte sich auf die Sängerinnen und bemerkte einige junge Frauen, die ebenso angenehm anzuschauen wie anzuhören waren. Ein hochgewachsenes Mädchen mit gebogener Nase hielt die Töne mit voller Kraft. Neben ihr stand eine rundliche junge Frau, die die Augen geschlossen hielt und der eine Strähne blonden Haares in die Stirn fiel. Am Ende des Halbkreises fiel ihm ein schlankes, in ein grünes Wollgewand gekleidetes Mädchen auf. Es hatte haselnussbraune Augen, geschwungene dunkle Brauen und Grübchen in den Wangen und sang mit klarer, lieblicher Stimme. Beim Refrain mussten die Sängerinnen in die Hände klatschen und sich nach rechts und links drehen, und die junge Frau führte die Bewegungen mit einem strahlenden Lächeln aus.
»Ein bezauberndes Mädchen.« Sein Onkel fuhr mit der Zunge durch seinen geschlossenen Mund. »Ida de Tosney – Henrys neue junge Mätresse, an der ihm sehr viel liegt.«
Roger schluckte. Die unschuldige Freude in Idas Gesicht wollte nicht recht zu der Vorstellung passen, die er von einer Frau hatte, die das Bett des Königs teilte. Sie hatte nichts von einer Konkubine an sich.
»Sie ist keine gewöhnliche Hure«, fügte sein Onkel hinzu. »Sie gehört zu seinen Mündeln.« Er hob hämisch die Brauen. »Eine Erbin, aber wie in deinem Fall überlegt Henry sehr
gründlich, wie ihre Zukunft aussehen soll, während er sie hinhält.«
Roger begriff sofort, was sein Onkel ihm zu verstehen geben wollte. Ida de Tosney gehörte dem König, und ein kluger Mann hielt sich von ihr fern. Nicht, dass er vorhatte, sich ihr zu nähern. Er mochte Frauen und hatte dieselben Bedürfnisse wie jeder andere gesunde junge Mann, aber er verfügte auch über Selbstbeherrschung und war vor den leichtlebigen Mädchen am Hof auf der Hut.
Er verbannte Ida de Tosney aus seinen Gedanken, murmelte seinem Onkel eine Entschuldigung zu und begab sich zur Latrine, um seine Blase von Henrys scheußlichem Wein zu befreien. Sowie dies geschehen war, wollte er den Abort verlassen, stellte aber fest, dass seine Halbbrüder und Gundredas Anwalt Roger de Glanville ihm den Weg versperrten. Rogers Herz begann zu hämmern, doch er wich ihren Blicken nicht aus und hielt den Kopf hoch erhoben. Derartige Einschüchterungsversuche kannte er zur Genüge, er hatte sie von seinem Vater gelernt.
»Konntest du dem König
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