Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Henry hob ihr Kinn an und küsste sie erneut. »Bleib so, wie du bist«, beschwor er sie mit plötzlicher Eindringlichkeit. »Bleib immer so, wie du bist.« Er reichte ihr den Kelch zurück. »Hier, bewahre ihn irgendwo gut auf.«
Ida schüttelte lachend den Kopf.
»Manchmal komme ich mir vor wie eine Elster mit einer Truhe voll glitzernder Dinge.«
Henry musterte sie lange.
»Keine Elster.« Er griff nach ihr. »Deine Brüste sind wie Schwanendaunen.«
Ida saß zwischen den Damen des Hofes an der langen Tafel. Obwohl aus kostbarem Stoff gefertigt, war ihr Gewand schlicht geschnitten und nur sparsam bestickt. Haar und Hals wurden vollständig von einem Leinenschleier bedeckt. Henrys Goldring mit dem Rubin schimmerte an ihrem Finger. Auf den ersten Blick wirkte sie eher wie eine respektable junge Hausfrau als wie eine königliche Konkubine.
Ihre Nachbarin an der Tafel war Hodierna, die frühere Amme von Henrys Sohn Richard. Ihr eigener Sohn, den sie zusammen mit dem Prinzen genährt hatte, studierte jetzt in Paris. Ida genoss Hodiernas Gesellschaft, denn sie war eine warmherzige, mütterliche Frau, gesellig und redselig, aber absolut vertrauenswürdig, und so erzählte ihr Ida von ihrer Begegnung mit Gundreda of Norfolk und Henrys Reaktion darauf.
»Für eine Frau ist es immer schwer, sich gegen einen Mann durchzusetzen«, meinte Hodierna. »Und ich denke, die Countess will für das Leben an Hugh Bigods Seite entschädigt werden. Ich kann es ihr nicht verdenken, es ist nur schade, dass der älteste Sohn der Leidtragende ist.« Sie nickte in Richtung einer Gruppe von Männern, die rechts vom König saß. »Dort«, raunte sie Ida zu. »Der Zweite von links, der in der blauen Tunika, das ist Roger Bigod.«
Ida spähte zu dem Mann hinüber, auf den Hodierna gedeutet hatte und der gerade mit dem Earl of Oxford sprach. Da er den Kopf abgewandt hatte, konnte sie nur dichtes goldbraunes Haar und eine gestikulierende wohlgeformte Hand erkennen.
Er nickte, als Oxford irgendetwas zu ihm sagte. Dann drehte er sich um und griff nach seinem Weinbecher, sodass Ida einen Blick auf sein Gesicht erhaschen konnte: hohe Wangenknochen, breiter Mund, kantiges Kinn. Er wirkte angespannt und wachsam, und Ida senkte rasch den Blick, um nicht dabei ertappt zu werden, wie sie ihn anstarrte.
»Er wird längere Zeit am Hof bleiben, während er mit Norfolks Witwe um die Grafschaft streitet«, fügte Hodierna hinzu.
Ida widmete sich ihrer Mahlzeit und täuschte Desinteresse vor, obwohl ihre Neugier geweckt war, vor allem nach ihrem Gespräch mit Henry an diesem Nachmittag. Sie fuhr fort, Roger Bigod verstohlene Blicke zuzuwerfen. Er sah sich gleichfalls im Raum um, nahm aber keinen Blickkontakt mit einer der Frauen auf. Er schien die Anwesenden zu beobachten und abzuschätzen, als sei er ständig auf der Hut vor einer möglichen Gefahr. Sie fragte sich, welche Farbe seine Augen wohl haben mochten.
»Er hat keine Frau und auch kein Eheversprechen abgegeben«, bemerkte Hodierna. »Aber ich denke, viele Väter werden an ihn herantreten. Trotz des Disputes um seine Ländereien und obwohl die Verteidigungsanlagen von Framlingham zerstört sind, werden sie ihn als Bewerber um die Hand ihrer Töchter in Betracht ziehen.« Ihr Ton war sachlich, aber Ida hatte inzwischen gelernt, hinter die Fassade zu blicken. Hodierna wollte ihr zu verstehen geben, dass Roger Bigod unabhängig von seiner momentanen Situation eine gute Partie war.
Roger betrat das Privatgemach des Königs, kniete vor Henry nieder und neigte den Kopf. Henry beugte sich vor, nahm Rogers Hände in die seinen und gab ihm den Friedenskuss.
»Es hat mir leidgetan, vom Tod Eures Vaters zu hören. Möge seine Seele in Frieden ruhen«, sagte er.
Beide wussten, dass dies eine bloße Floskel war, keiner der Männer trauerte um Hugh.
»Es war seine eigene Entscheidung, Sire.« Einen Moment lang sah Roger das Bild des versiegelten Bleisarges seines Vaters vor sich, der in das Familiengrab von St. Mary bei Thetford geschoben wurde. Ob seine Seele in Frieden ruhte, war eine andere Sache. Das musste die Lebenden nicht interessieren.
»Es freut mich, Euch bei Hof zu sehen«, fuhr Henry fort. »Ihr wart viel zu lange fort.«
»Sire, ich hatte auf meinem Land zu tun.« Roger betonte das Wort »meinem«. »Dort gibt es viel Arbeit für mich.«
Henry rieb sich das Kinn und musterte ihn forschend. Roger hielt seinem Blick unverwandt stand. Es hatte ihm Übelkeit verursacht, erfahren zu
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