Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
immer für eine Sünde hielt und sie so verzweifelt gewesen war, als sie festgestellt hatte, dass sie ein Kind erwartete,
löschte die Liebe zu ihrem Sohn jetzt alles andere in ihr aus.
Am Morgen kam Henry auf dem Weg zur Jagd zu ihr, um seinen Sohn zu besuchen. Er war sichtlich in Eile, nahm sich aber trotzdem Zeit, trat an die Wiege und betrachtete den Kleinen einen Moment lang.
»Es geht ihm etwas besser, Sire«, murmelte Ida. Sie verspürte nach der durchwachten Nacht eine abgrundtiefe Erschöpfung, aber Williams Fieber war gesunken, seine Augen blickten wieder klar, und er hatte vor kurzem erneut getrunken. Es war zu früh, um mit Sicherheit zu sagen, dass er wieder gesund werden würde, aber sein Zustand hatte sich stabilisiert.
Henry zuckte die Achseln.
»Frauen sehen immer alles viel zu schwarz.« Nach einem weiteren langen Blick wandte er sich von der Wiege ab, zog Ida an sich und strich ihr eine Locke hinter das Ohr. »Ich habe nachgedacht. Es ist nur recht und billig, dass du einen Ehemann vor Gott und ein eigenes Heim haben sollst. Daher habe ich beschlossen, auf den Vorschlag deines Bruders bezüglich einer Verbindung mit Roger Bigod einzugehen.«
Ida starrte ihn an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Nach der Nacht, die hinter ihr lag, wirbelten die Worte und Gedanken in ihrem Kopf durcheinander wie Blätter in einem Wasserstrudel.
»Hat dir dein Glück die Sprache verschlagen, oder bist du von Entsetzen überwältigt?« Henrys Lächeln haftete eine Spur von Schärfe an.
Ida nahm sich zusammen.
»Nein, Sire«, erwiderte sie. »Ich danke Euch, aber ich bin am Ende meiner Kraft, ich kenne heute Morgen kaum meinen eigenen Namen. Aber ich freue mich aufrichtig über Eure Entscheidung.«
»Ach, Ida …« Henrys Lächeln wurde weicher und ein wenig traurig. »Eines Tages wirst du eine härtere Schale haben als jetzt, und es wird mich schmerzen, das zu sehen, aber für dich wird es von Vorteil sein, glaube ich.« Er zog einen Ring ab, griff nach ihrer Hand und steckte ihn ihr an. »Ich werde für den Kleinen Gebete sprechen lassen.« Er tätschelte ihre Wange, stapfte aus der Kammer und rief nach seinen Jägern. Der kurze Moment der Intimität war für ihn nur eine weitere erledigte Angelegenheit.
Ida wusste, dass sie eigentlich überglücklich sein müsste, aber alles, was soeben auf sie eingestürmt war, verstärkte ihre Erschöpfung nur noch. Sie blickte auf den Ring, den er ihr gegeben hatte: geflochtenes Gold mit einem seltenen Intaglio. Ein weiteres Stück für ihre Sammlung. Plötzlich begann sie zu schwanken, und Hodierna eilte zu ihr, wobei sie nach Goda rief. Gemeinsam führten die beiden Frauen sie zum Bett zurück.
»Schlaf jetzt«, sagte Hodierna. »William schwebt nicht mehr in Gefahr, und du nützt ihm nichts, wenn du dich nicht ausruhst. Ich wecke dich, wenn er dich braucht, ich verspreche es.«
Ida war zu müde, um zu widersprechen, verfolgte aber trotzdem aufmerksam, wie Hodierna William in seine Wiege neben ihrem Bett legte. Sie hatte immer noch Angst, ihn zu verlieren.
»Ich mag ja alt sein, aber meinen Ohren fehlt nichts«, murmelte Hodierna, als sie die Bettvorhänge schloss. »Sieht aus, als würde sich das Blatt bald wenden.«
»Ich hoffe es«, erwiderte Ida. Dann fiel sie in einen unruhigen Schlaf und träumte von einem langen, flachen Strand mit goldenem Sand, hinter dem sich das blaugraue Meer erstreckte.
14
Yarmouth,
August 1181
Roger schritt am Strand entlang, hob ein Stück Treibholz auf und schleuderte es mit aller Kraft von sich. Seine beiden drahthaarigen Jagdhunde schossen hinterher, ihre Muskeln spielten unter ihrem eisengrauen Fell. Der Wind zerrte an seinem Umhang, und er sog den Geruch und Geschmack des Meeres voller Freude ein. Ein Stück von ihm entfernt besserten Fischer am Ufer ihre Netze aus, und von den Salzsiedepfannen stieg Rauch auf. Draußen auf dem Wasser sah er mehrere Fischkutter auf den Hafen zusteuern, wo sie ihre Fänge silbern glitzernder Heringe ausladen würden.
»So«, sagte er zu Goscelin de Tosney, der neben ihm ging. »Ich nehme an, dies ist nicht nur ein freundschaftlicher Besuch?«
Goscelin war eingetroffen, als sich Roger mit den Hunden auf den Weg gemacht hatte. Da Roger das dringende Bedürfnis verspürte, frischen Wind in seinen Haaren und Sand unter seinen Stiefeln zu spüren, hatte er seinen Besucher nicht ins Haus gebeten, sondern zum Strand mitgenommen. Henry war wieder in England, und Roger würde an den Hof
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