Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Roger, dass Ida dünner als bei ihrer letzten Begegnung vor einem Monat war, schmaler im Gesicht, aber immer noch schön. Der Gewichtsverlust hatte ihre Wangen einfallen lassen, wodurch ihre Augen noch größer wirkten. Sein Beschützerinstinkt erwachte, und er schwor sich, das Lächeln auf ihre Lippen zurückzuzaubern, das Henry ihr genommen hatte. Er war froh, dass die Hochzeit nicht bei Hof stattfand und Henry nicht an den Feierlichkeiten teilnahm. Seine Gegenwart wäre für ihn unerträglich gewesen.
Still und unauffällig zog er sich zurück, um sich für die Kirche und seine neue Rolle als Ehemann fertig zu machen.
Ida stand in der Mitte des Brautgemachs und wartete geduldig, während ihre Zofen ihr den Kopfputz abnahmen und ihre aufgesteckten braunen Zöpfe lösten. Am Morgen hatte sie ihr Haar mit dem gewürzten Rosenwasser gekämmt, dessen Herstellung Hodierna sie gelehrt hatte. Der Duft flutete nun, durch ihre Körperwärme verstärkt, in exotischen Wellen durch den Raum wie die Parfüms im Hohelied Salomos. Sie nahm die
Arme hoch, damit die Frauen die Schnüre an der Seite ihres grüngoldenen Hochzeitskleides aufmachen konnten. Obwohl es in der Kammer keinen Kamin gab, hatten Kohlebecken den ganzen Tag Wärme gespendet, sodass nun eine angenehme Temperatur herrschte. Die dunkelroten Bettvorhänge waren zurückgezogen und wurden lose von bernsteinfarbenen Seidenbändern gehalten, und die Frauen hatten die dazu passende Decke zurückgeschlagen, damit man die feinen Leinenlaken, die bestickten roten Polster und die weichen weißen Kissen sah. Die Bettwäsche gehörte Ida, und sie hatte ihre Zofen angewiesen, alles herzurichten, während in der großen Halle die Hochzeitsfeierlichkeiten stattfanden. Dies war jetzt ihr Reich, ganz offiziell, von der Kirche abgesegnet. Der Hochzeitskontrakt war formell besiegelt. Sie fühlte sich, als würde sie auf Wolken schweben. Ihr war schwindelig von dem Wein, den sie getrunken hatte, den ausgelassenen Tänzen in der Halle und von der Aufmerksamkeit ihres Mannes. Roger hatte sich alle nur erdenkliche Mühe gegeben, diesen Tag für sie unvergesslich zu machen: von den Kerzen und dem immergrünen Schmuck in der Kirche bis hin zu den wundervoll gedeckten Tischen bei dem Hochzeitsfest und den Musikanten, die eine eigens für sie verfasste Komposition gespielt hatten. Auch Henry hatte sie mit Luxus umgeben, aber nie darüber nachgedacht, was ihr besonders gut gefallen könnte. Dass Roger sich diese Gedanken gemacht hatte, bedeutete ihr mehr als eine Truhe voller Gold.
Die Frauen streiften ihr das Gewand und die seidene Hose ab, aber Ida behielt ihr Hemd an. Juliana bewunderte die Weißstickerei, die es verzierte und die bislang von dem Obergewand verdeckt worden war.
»Was für eine kunstvolle Arbeit«, bemerkte sie. »Hast du das selbst gemacht?«
»Ja, Mutter.« Die Anrede klang in Idas Ohren noch fremd
und seltsam, aber sie wusste, dass sie sich daran gewöhnen würde.
»Du bist sehr geschickt im Umgang mit der Nadel.« Juliana lächelte. »Ich sehe, dass mein Sohn sich nie über Mangel an geschmackvoller Stickerei auf seiner Kleidung zu beklagen brauchen wird.«
Ida errötete ob des Lobes.
»Es wird ihm von meiner Seite aus an nichts mangeln«, antwortete sie weich. »Es wird mir eine Ehre und meine Pflicht sein, seine Wünsche zu erfüllen.«
Juliana lächelte immer noch, aber in ihren Augen lag ein wachsamer Ausdruck.
»Das denke ich auch«, erwiderte sie. »Ich weiß, dass du ihm eine gute Frau sein wirst, aber lass mich dir einen Rat geben. Ein Mann muss glauben, der Herr im Haus zu sein, aber eine Frau sollte in den kleinen Dingen das Sagen haben, die das Gesamtbild ausmachen.«
»Danke, das ist ein sehr guter Rat«, murmelte Ida höflich, aber sie war nicht überzeugt. Sie wusste noch nicht recht, was sie von ihrer Schwiegermutter halten sollte. Sie mochte sie, aber ihre ruhige Gelassenheit war schwer zu durchschauen. Auch Roger zeigte diese Eigenschaft, aber nicht so ausgeprägt. Juliana vergötterte ihren Sohn offenbar, machte jedoch zum Glück keinen besitzergreifenden Eindruck. Ida nahm an, dass alles gut werden würde, aber sie setzte nichts mehr als selbstverständlich voraus.
Juliana musterte sie nachdenklich.
»Nach dem, was ich in der Kirche und beim Fest gesehen habe, wird Roger dich lieben, und du wirst ein gutes Leben mit ihm haben – ein besseres, als es mir an der Seite seines Vaters beschieden war – aber mein Sohn ist ja auch ein ganz
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