Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
erklärte ganz nüchtern: »Sie werden wohl zuerst die Grenze nach Argentinien überschreiten und danach in ihr Heimatland zurückkehren. Zuvor werden sie sich hüten, einen Hinweis zu geben, wo Valeria steckt.«
    Ihr Vater war verzweifelt und wusste nicht, was er Rosa und Albert berichten sollte. Einerseits hatten sie das Recht, die Wahrheit zu erfahren – andererseits war Uruguay noch nicht ans Telegraphennetz angeschlossen. Es würde Wochen dauern, bis die Nachricht sie erreichte, und in der Zwischenzeit kam Valeria womöglich heil zurück, während die Eltern noch grundlos bangten. Aus diesem Grund entschied Carl-Theodor, vorerst zu warten, doch Claires Hoffnung, dass er damit die richtige Wahl traf und Valeria bald wieder nach Hause kommen würde, schwand von Tag zu Tag – auch wenn sie das gegenüber ihrem Vater nicht zugeben wollte.
    Sie zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte, aber anstelle eines Familienmitglieds war es nur ein Hausmädchen, das durch den Türspalt lugte und ihr knapp mitteilte, sie hätte Besuch erhalten.
    Claire war überrascht und konnte sich nicht vorstellen, wer sie zu sehen wünschte. Als sie in den Empfangsraum eilte und Luis dort stehen sah, packte sie das schlechte Gewissen.
    »Luis! Oh, es tut mir unendlich leid, aber ich habe ganz vergessen, unsere Verabredung abzusagen. In all der Aufregung …«
    Er hob abwehrend die Hände, um sie zum Schweigen zu bringen. »Sie müssen sich nicht rechtfertigen, Niña Claire. Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, wie unendlich leid es mir tut. Ich habe gehört, was mit Ihrer Cousine passiert ist, und wollte schon früher nach Ihnen sehen, aber wir waren alle mit der Suche beschäftigt.«
    Natürlich, Julio hatte ja die Polizei informiert.
    »Haben Sie irgendetwas über ihren Verbleib herausgefunden?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    Er senkte den Blick. »Eigentlich darf ich Ihnen das nicht sagen.«
    So glücklich Claire auch war, ihn zu sehen, wurde sie plötzlich doch wütend. »Zur Hölle mit Ihrem Pflichtbewusstsein!«, brach es aus ihr hervor.
    Er senkte den Blick noch tiefer, und sie nagte an ihren Lippen. »Entschuldigen Sie, ich wollte nicht so unbeherrscht sein.«
    Unwillkürlich trat er auf sie zu und nahm ihre Hand. Seine war ebenso warm wie groß und schloss sich um ihre. »Ich bin mir sicher, dass Sie schreckliche Ängste ausstehen. Aber glauben Sie mir, es wird alles getan.«
    »Das genügt mir nicht! Ich will selbst etwas tun!«
    »Aber das ist nicht möglich.«
    »Doch!«, bestand sie. »Ich will selbst durchs Land reisen und sie suchen. Wer weiß – vielleicht kann ich mehr in Erfahrung bringen als bewaffnete Männer in Uniform, die den meisten Menschen doch viel zu sehr Furcht und Respekt einflößen, um sie zum Sprechen zu bringen.«
    »Aber …«
    »Nichts aber!« Sie stampfte auf. »Ich bin fest entschlossen! Wenn Sie sich Sorgen um mich machen, kommen Sie eben mit mir.«
    Der Entschluss war ganz spontan gereift, doch nun, da sie ihn ausgesprochen hatte, gab es kein Zurück.
    »Aber …«, setzte erneut an.
    Ihr war selbst ein wenig mulmig zumute, doch das wollte sie sich nicht anmerken lassen. »Teufel noch einmal, nun hören Sie auf, mir zu widersprechen!«, rief sie.
    »Nicht schon wieder fluchen!«, bat er sie bestürzt, um kleinlaut hinzuzufügen: »Ich helfe Ihnen ja!«
    Sie musste wider Willen lächeln. Und trotz ihrer Sorge um Valeria empfand sie tiefe Freude, als er dieses Lächeln auf seine ihm eigentümliche, etwas schüchterne Art erwiderte.
     
    Sie brachen am nächsten Tag frühmorgens auf. Claire hatte kurz überlegt, allen zu verschweigen, was sie plante, und nur einen Brief zu hinterlassen, aber dann hatte ihr schlechtes Gewissen sie davon abgehalten. Ihr Vater machte sich schon genug Sorgen, sie wollte ihm keine weiteren bereiten.
    Natürlich regte sich sofort sein Protest. Er sah zwar ein, wie wichtig es ihr war, etwas zu tun, anstatt zu warten, bestand jedoch darauf, mitzukommen und sie auf der Suche nach Valeria zu unterstützen.
    »Nein, du musst hierbleiben, falls eine Botschaft von den Entführern kommt«, entgegnete Claire. »Und schließlich bin ich nicht allein.«
    Als sie ihm Luis vorstellte, erweckte sie zunächst das Misstrauen ihres Vaters, aber Luis überzeugte mit tadellosem Aufzug, festem Händedruck und dem mit ernster Miene vorgetragenen Versprechen, gut auf Claire aufzupassen. Auch Carl-Theodor schien auf Anhieb zu erkennen, was Claire schon beim ersten Treffen aufgefallen war –

Weitere Kostenlose Bücher