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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Freie gekommen war, um ihr zu helfen, und warum er ihr so aufgeregt zugewinkt hatte. Er musste gesehen haben, dass ihr jemand dicht auf den Fersen gewesen war.
    Mit ganzer Wucht fiel sie zu Boden, drehte sich einmal um die eigene Achse, und als sie einen Schrei ausstoßen wollte, schluckte sie Sand. Trockenes Gras stach ihr ins Gesicht, die Handinnenfläche wurde von spitzen Steinen aufgescheuert – ein nichtiger Schmerz, gemessen an jenem, als sie an den Haaren hochgerissen und zurück zum Wald gezerrt wurde.
    Ihre Kopfhaut schien zu brennen, und jene Qual war so unerträglich, dass sie weder ihr Scheitern beklagte noch sich vor Strafe ängstigte. Als sie schon meinte, dass ihr sämtliche Haare ausgerissen wurden, wurde sie wieder zu Boden geschleudert. Und kurz fühlte sie nur Erleichterung, dass der Schmerz vorüber war. Sie rieb sich den Kopf und kämpfte gegen die Tränen an. Als sie endlich wieder klar sehen konnte, erkannte sie, dass nun alle Männer wach waren und sie anstarrten. Offenbar war es der Schwarze gewesen, der sie zurückgebracht hatte, denn er lächelte als Einziger triumphierend. In Pablos Gesicht dagegen stand Ärger.
    »Du Idiot! Wie konntest du sie so weit entkommen lassen? Nur wenige Augenblicke später …«
    Nun, da sie den schmerzhaften Griff nicht länger erdulden musste, überkam sie die Verzweiflung. Nur wenige Augenblicke später – dann wäre sie in Sicherheit gewesen … frei …
    Pablo begnügte sich nicht, Tshepo zu maßregeln, sondern hob die Faust und schlug ihm ins Gesicht. Das Klatschen war deutlich zu vernehmen, doch aus dem Mund des Schwarzen kam kein Laut.
    Valeria hingegen schrie auf, als Pablo sie hochzerrte. Er war noch grober als der Schwarze und riss ihr das Haar büschelweise aus.
    »Versuch das nicht noch einmal, Mädchen, sonst bist du tot!«
    Trotz aller Angst regte sich Empörung in ihr. »Wenn ich tot bin, nutze ich euch nichts mehr«, presste sie zwischen ihren Lippen hervor.
    Wieder ballte Pablo seine Hand zur Faust, schlug zu und traf diesmal mit ganzer Wucht ihr Gesicht. Sie glaubte, ihr Kopf würde zerplatzen, schmeckte Blut, taumelte und ging zu Boden. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er erneut die Faust erhob und ein zweites Mal auf sie eindreschen wollte.
    Das überlebe ich nicht, dachte sie, das überlebe ich nicht …
    Doch da ging Valentín dazwischen und riss die Faust seines Bruders zurück.
    »Lass sie in Ruhe! Du bringst sie ja um!«
    Benommen nahm Valeria wahr, wie die Brüder miteinander rangelten. Das Blut rauschte ihr so laut in den Ohren, dass sie nicht hörte, was sie sich einander im Streit an den Kopf warfen. Als der Schmerz endlich etwas nachließ, hatte Valentín von Pablo abgelassen und saß über sie gebeugt.
    »Wie geht es dir?«
    Sein Blick schien ehrlich besorgt. In ihrer Lippe pochte es; das Blut war über ihr Kinn gelaufen und verkrustete langsam. Sie fror in ihrem zerrissenen Kleid und fühlte sich elend wie nie, aber als er seine Hand nach ihr ausstrecken wollte, um ihr aufzuhelfen, schlug sie sie fort.
    »Lass mich in Ruhe, du elender Bastard!«, rief sie keuchend.
    Auch wenn sie ihm allein zu verdanken hatte, nicht noch mehr Schläge einstecken zu müssen, konnte sie sich die bösen Worte nicht verkneifen. Doch als er zurückzuckte und plötzlich murmelte, es tue ihm leid, das hätte sie nicht verdient und er sie künftig davor zu bewahren versuchen würde, da glaubte sie ihm.
     
    Claire ging unruhig auf und ab. Sie war froh, endlich von Leonoras schriller Stimme verschont zu werden, die ständig in den grässlichsten Bildern ausmalte, was Valeria wohl gerade durchmachte, sich heute aber wegen all der Aufregung so schwach fühlte, dass sie im Bett geblieben war. Auch wenn sie von ihrer enervierenden Gegenwart erlöst war, kam Claire nicht umhin, sich Valerias Leiden vorzustellen. Dass sie ganz allein mit ihren Gedanken war, machte es sogar noch schlimmer, und kaum erträglicher als die Gedanken an die Cousine waren ihre Schuldgefühle.
    Ich hätte es verhindern müssen, ging es ihr wieder und wieder durch den Kopf. Ich hätte sie nicht in die Lagerhalle gehen lassen dürfen. Ich hätte mich von Luis nicht ablenken lassen sollen.
    Mittlerweile waren mehrere Tage seit Valerias Verschwinden vergangen – und es fehlte immer noch jede Spur von ihr.
    Am Anfang hatte die Familie noch gehofft, die Paraguayer würden bald Geld für ihre Geisel fordern, doch bis jetzt hatten sie nichts von den Entführern gehört.
    Julio

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