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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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mehr, als sie bei ihrer ersten Rast sah, dass die Tiere Schaum vor dem Maul hatten.
    »Wie kann man Pferde so behandeln?«, fragte sie empört. »Es sind so schöne, edle Tiere!«
    »Die meisten Menschen hier in der Banda Oriental sind gnadenlos«, sagte Luis, »man kennt kein Mitleid mit einem Tier.«
    Offenbar war das bei ihm anders. Das Fell des Pferdes, das er ritt, glänzte; er gab ihm zu trinken, redete behutsam auf das Tier ein und streichelte über seine Mähne – ein Anblick, bei dem Claire unwillkürlich lächeln musste.
    Trotz aller Empörung war sie froh, dass es bald weiterging. Sie legten pro Stunde zwei Leguas zurück, etwa zwei deutsche Meilen, und kamen so bald zur ersten Poststation: Hier wurden die Pferde ausgewechselt, und in einem Haus konnte man übernachten und Abendbrot und Frühstück einnehmen.
    Claire begann, jeden Fremden, dem sie begegnete – den Wirt ebenso wie die Gäste –, sofort nach Valeria zu befragen. Nicht dass sie damit rechnete, dass die Entführer hier haltgemacht hätten, aber Luis hatte ihr erklärt, dass das Leben auf dem Land so einsam war, ein jeder sich über Abwechslung freute und noch der nebensächlichste Tratsch weitergetragen wurde. Sollte den Bauern auf den Gehöften etwas Ungewöhnliches aufgefallen sein, hatte es sich sicher bis hierher herumgesprochen. Doch auf den ersten beiden Raststationen wurde ihre Hoffnung enttäuscht. Niemand hatte etwas von einer Frau gehört, auf die Valerias Beschreibung passte, niemand auch eine Truppe Männer gesehen, die schweres Geschütz transportierten.
    Am Nachmittag kamen sie an einigen Ranchos vorbei – Verkaufsständen, in denen Kleiderstoffe und Pferdegeschirre, Acker- und Landbaugeräte, Teller und Gläser, Schnaps, Wein und trockene Süßwaren angeboten wurden.
    Wieder fragte Claire aufgeregt nach ihrer Cousine – wieder konnte ihr niemand etwas sagen.
    Obwohl sie darauf gefasst gewesen war, nicht gleich am ersten Tag etwas über den Verbleib ihrer Cousine herauszufinden, war sie bitter enttäuscht.
    »Du darfst die Hoffnung nicht verlieren«, murmelte Luis.
    Am liebsten wäre sie die ganze Nacht weitergefahren, aber die Kutsche machte bei einer der Poststationen Rast, und Luis überzeugte sie davon, dass sie sich unbedingt ausschlafen musste, um bei Kräften zu bleiben. Er organisierte eine winzige Kammer, wo sie allein die Nacht verbringen konnte.
    »Und wo schläfst du?«, fragte sie.
    »Draußen bei den Pferden.«
    Allein um ihm eine Freude zu machen, langte sie beim Abendbrot kräftig zu. Wie überall auf dem Land gab es jede Menge Rindfleisch, das scharf angebraten wurde und saftiger war und würziger schmeckte als jeder Braten, den Claire je in Deutschland gegessen hatte. Später zog sie sich zurück und versuchte zu schlafen. Es glückte nur für wenige Stunden, schon beim ersten Morgengrauen fuhr sie auf und wurde von Unrast gepackt. Sie kämmte sich, kleidete sich an und lief hinaus zu den Pferden.
    Luis schlief auf dem bloßen Boden, nutzte seinen Sattel als Kopfkissen und hatte sich mit einem Poncho zugedeckt. Im Schlaf hatte sich sein strenger Zug um den Mund entspannt; er wirkte sanft und verletzlich. Eine Strähne seines Haars war in die Stirn gefallen und verbarg das übliche Runzeln.
    Claire kam nicht umhin, ihn liebevoll zu betrachten. Sie wusste so gut wie nichts über ihn und hatte dennoch das Gefühl, ihn seit Ewigkeiten zu kennen und ihm blind vertrauen zu können. Sein Anblick schenkte ihr mehr Zuversicht als das köstlichste Essen und das weichste Bett.
    Allzu bald schlug er seine Augen auf und fuhr hoch. »Du bist schon wach?«, fragte er erschrocken, und prompt wurde seine Miene wieder distanziert.
    »Die Diligence ist schrecklich unbequem«, klagte sie, »mir tun sämtliche Glieder weh – und wir kommen auf diese Art auch nicht schnell genug voran. Besser wäre es, ich reite wie du. Du kannst doch sicher ein Pferd für mich beschaffen?«
    Er blickte zweifelnd. »Aber das würde bedeuten, dass wir beide ganz allein unterwegs wären. Und das gehört sich eigentlich nicht.«
    Sie schnaubte. »Pah! Ich habe andere Sorgen als eine fehlende Anstandsdame. Du musst auch keine Angst haben, ich werde dir schon nicht zu nahe treten.«
    »Ich mache mir nicht um mich Sorgen, sondern …«
    Sie hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Die Einzige, um die wir uns Sorgen machen sollten, ist Valeria. Sie ist nicht mit einem Mann allein unterwegs, sondern mit einer ganzen Horde.«
    Sie

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