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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Kanaren.
    Jene Inseln hatte er eigentlich als sonnigen Ort mit vielen Blumen kennengelernt. Nun erwarteten ihn weitere Stürme, die den Himmel verdunkelten, das Meer aufpeitschten und die Weiterfahrt noch länger verzögerten. Zunächst vergrößerten die vielen Pausen seine Unrast – doch pragmatisch, wie er in solchen Sachen war, ergab er sich schließlich seinem Schicksal, begann, der Situation etwas Gutes abzugewinnen und den Aufenthalt in einer Art Niemandsland zu genießen, wo ihn keiner kannte, ihn die Sorgen nicht erreichten und die Verheißung in der Luft lag, ganz neu beginnen zu können.
    So unempfänglich er hier aber für jedwede Erinnerung auch war – der Abend mit Susanna Weber stand ihm ganz deutlich vor Augen. Immer wieder rief er sich ihre Worte ins Gedächtnis, wonach sie zwar stolz, aber nicht glücklich sei.
    Das Gleiche galt für ihn, wurde ihm nun immer deutlicher. Er hatte viel erreicht, worauf er stolz sein konnte, aber zu wenig, um echte Erfüllung zu finden. Und er hatte diese auch kaum gesucht, sondern viel zu lange selbstverständlich hingenommen, dass die Melancholie ihn wie ein steter Schatten begleitete. Ausgerechnet hier, gefangen auf einer bewölkten Insel, wo er keinerlei Wurzeln hatte, verblasste dieser Schatten. Während der langen Spaziergänge am Meer erwachte ein neuer Carl-Theodor, dessen Haltung – nicht stoisch, sondern fordernd – er sich bis zu dem Tag bewahren konnte, da sie in Hamburg einliefen.
    Für gewöhnlich erwartete diese Stadt ihn im grauen Gewand, doch ausgerechnet dieses Mal, da er aus Regen und Nebel kam, strahlte trotz klirrender Kälte die Sonne und brachte den seltenen Schnee zum Glitzern. So hell und sauber hatte er Hamburg noch nie gesehen, und als er die Stadt wie ein Fremder musterte, der sie zum ersten Mal sah, reifte ein Entschluss.
    Er würde künftig länger hier verweilen, er war zu alt, um ständig zu reisen, und der Kolonialhandel hatte ihm genug eingebracht, um den Rest seines Lebens in Wohlstand zu verbringen. Allerdings würde er ein neues Haus beziehen, keines, das von Antonie ausgewählt und eingerichtet worden war, sondern ein viel helleres mit großen Fenstern und Blick auf die Alster, der ihn an das Meer vor Montevideo erinnern würde.
    Er lächelte bei dem Gedanken an die vielen behaglichen Stunden, die er in diesem Haus verbringen würde, wurde jedoch rasch wieder ernst. Ehe er sich der Planung seiner Zukunft widmen konnte, galt es, eine traurige Pflicht zu erledigen, und prompt fühlte er sich schuldig, weil er in den letzten Tagen kaum an Rosa und Albert gedacht hatte. Noch größer war sein schlechtes Gewissen, wenn er sich Claires Verzweiflung ins Gedächtnis rief. Nun, für seine Tochter konnte er hier nichts tun, aber jener Aufschub – einem Urlaub von sich selbst gleichend – war endgültig vorüber.
    Während er auf die Auslieferung des Gepäcks wartete, überlegte er fieberhaft, mit welchen Worten er dem Bruder und der Schwägerin die schreckliche Nachricht überbringen sollte, und derart in Gedanken versunken, hörte er erst gar nicht, wie sein Name gerufen wurde. Erst als er wieder und wieder ertönte, blickte er verwundert hoch. Er hatte viele Kontakte in Hamburg, aber kaum je weibliche Gesellschaft genossen, doch wer da forsch auf ihn zuschritt, war tatsächlich eine Frau.
    Er brauchte eine Weile, um sie zu erkennen.
    Sie trug ein schlichtes Kleid, und die struppigen Haare waren unter einem Hut verborgen, der ein wenig zu klein für ihr breites Gesicht war. Die Kälte machte ihr sichtlich zu schaffen, so wie sie die Schultern einzog und so rot ihre Nase glänzte, doch das glückliche Lächeln, das ihr seine Ankunft ins Gesicht zauberte, kam von Herzen.
    »Endlich! Ich bin jedes Mal zum Hafen gekommen, wenn ein Schiff aus Südamerika eingetroffen ist. Doch keines hatte eine so lange Irrfahrt hinter sich wie dieses.«
    »Susanna! Was machst du denn hier?« Er war so fassungslos, sie hier zu sehen, dass er ganz selbstverständlich zum Du überging.
    Sie schien sich nicht daran zu stören, sondern erklärte: »Ich bin einige Wochen nach dir abgereist und dennoch viel früher angekommen …«
    »Wir sind in Stürme geraten, waren lange auf Teneriffa, und dann …« Er brach ab, als er sah, wie ihr Lächeln schwand.
    »Ich muss dir eine Nachricht überbringen.«
    Eisiger Schrecken erfasste ihn. »Eine schlechte?«
    »Auch. Wobei zunächst vor allem die gute zählt: Deine Nichte lebt.«
    Ein erleichterter Aufschrei

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