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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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eigenen Courage – und konnte zugleich seine Unrast nicht bezähmen. Ein Teil von ihm hätte sich am liebsten auf ewig hinter dem Schreibtisch verkrochen, ein anderer konnte die Abreise am nächsten Morgen nicht erwarten.
    In all der Aufregung achtete er kaum auf Carl-Theodor, und erst gegen Abend fiel ihm auf, dass dieser nicht allein in den Taunus gekommen war, sondern von einer Frau begleitet wurde. Erstmals musterte er sie flüchtig.
    Nicht nur dass Carl-Theodor sie ihnen nicht offiziell vorgestellt hatte – überdies wirkte sie nicht wie eine feine Dame, sondern glich, robust, praktisch und verlässlich, wie sie erschien, ihrer Haushälterin Frau Lore. Nachdem er Ferdinand und Thomas entlassen und seinem Leibdiener genaue Anweisungen gegeben hatte, was es einzupacken galt, konnte er seine Neugierde nicht länger zügeln und lud Carl-Theodor ein, doch vor dem Kamin ein Glas Sherry mit ihm zu trinken.
    Zwar hatte er ein schlechtes Gewissen, hier ruhig zu sitzen, doch für heute hatte er alles getan, was nötig war, und für die nächsten Wochen musste er Kraft sammeln.
    Seufzend sank er auf das Sofa. Der Sherry wärmte und beruhigte ihn ein wenig. Erst zögerte er noch, dann überwand er sich und fragte rundheraus: »Wer ist … sie?«
    Carl-Theodor nahm seinerseits einen Schluck Sherry. »Meine künftige Frau«, entgegnete er knapp.
    »Du wirst wieder heiraten?« Albert riss fassungslos die Augen auf. Nicht dass er sich je sonderlich für das Gefühlsleben seines Bruders interessiert hatte, aber er hätte schwören können, dass er nach Antonies Tod den Ehestand meiden würde – zumal die künftige Braut nicht von hohem Stand zu sein schien.
    »Ich weiß, es ist überstürzt«, räumte sein Bruder ein, »und nach den Erfahrungen mit Antonie sollte ich vielleicht etwas mehr Besonnenheit an den Tag legen. Aber … aber ich kann nicht anders.« Er machte eine kurze Pause. »Susanna ist eine deutsche Wirtin aus Montevideo, ich kenne sie schon seit längerem, wenngleich unsere Bekanntschaft zunächst nur flüchtig war. Vor einiger Zeit führten wir jedoch ein vertrauliches Gespräch. Und seitdem habe ich das Gefühl, sie wäre seit Ewigkeiten meine beste Freundin. Sie … sie versteht mich.«
    Albert schloss seinen Mund. Eben noch hatte er seine Skepsis bekunden wollen und jener Fremden unterstellen, womöglich nur hinter Carl-Theodors Geld her zu sein, aber der letzte Satz entwaffnete ihn. Er musste an all die letzten Jahre denken, da Rosa und er einander wie Fremde begegnet waren.
    Sie versteht mich.
    Nun, heute Nachmittag hatte er zum ersten Mal seit Ewigkeiten das Gefühl gehabt, auch Rosa verstünde ihn, teilte seine Sorgen, stünde an seiner Seite. In der Hektik des Aufbruchs hatte er nicht länger darüber nachgedacht, doch nun überlief ihn eine Gänsehaut.
    »Es lag zum ersten Mal seit Jahren kein Hass in ihrer Miene«, stieß er mit brüchiger Stimme aus.
    Erst an Carl-Theodors verblüfftem Blick angesichts des abrupten Themenwechsels merkte er, dass er den Satz nicht nur gedacht, sondern laut ausgesprochen hatte.
    Sein Bruder neigte sich vor und sah ihn voller Mitgefühl an. »Die Sorge um Valeria wird euch zusammenschweißen.«
    Albert zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll.«
    »Gegenüber Rosa oder Valeria?«
    »Nun, gegenüber beiden. Ich war weder ein guter Ehemann noch ein guter Vater.«
    »Vielleicht kannst du es noch werden – vorausgesetzt, du nutzt die Gelegenheit.«
    Albert starrte lange auf die Flammen im Kamin. »Du denkst, dass man im Leben immer eine zweite Chance bekommt?«, fragte er nach längerem Schweigen. »Dass man sich ändern kann, auch wenn man ein gewisses Alter erreicht hat?«
    »Ja«, sagte Carl-Theodor ebenso knapp wie bestimmt.
    »Und deswegen heiratest du? Weil du wirklich daran glaubst?«
    »Ja«, wiederholte Carl-Theodor.
    Albert nahm einen Schluck Sherry, ehe er den Bruder eingehend betrachtete. Ohne Zweifel – er wirkte entspannter, jünger und auch zufriedener. Er schien die ihm eigene Melancholie ebenso abgeschüttelt zu haben wie sämtliches Zaudern. In ihm selbst wucherte hingegen Misstrauen. Er fühlte sich zwar dazu verpflichtet, war sich aber nicht sicher, dass es sich tatsächlich lohnen könnte, den behaglichen Platz hinter dem Schreibtisch zu verlassen. »Hm«, machte er nach einer Weile, »ich weiß nicht, ob mir ein Neuanfang gegönnt ist – aber für deinen wünsche ich dir alles Gute. Wer immer diese

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