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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Großunternehmen entwickelt, und zu den Aktionären zählen neben den Deutschen auch Franzosen und Belgier.«
    Die ersten Worte hatte sie noch interessiert aufgenommen, doch je länger Julio sprach, desto gelangweilter lauschte sie. Noch mehr als seine Erklärungen erstaunte sie, dass Leonora, die sie in sein Arbeitszimmer geführt hatte, im Türrahmen stehen geblieben war und weiterhin satt und breit lächelte. Nun, vielleicht wurde ihr übergroßer Appetit durch die Erwähnung eines Fleischextrakts noch mehr geweckt.
    »Alonso Martínez will künftig die Geschäfte mit Deutschland intensivieren«, fuhr Julio fort. »Bislang gibt es dort noch keine eigene Filiale der Liebig-Company. Das soll sich ändern.«
    Tabitha musste sich beherrschen, um nicht entnervt die Augen zu verdrehen. Was sie schrecklich langweilig fand, schien den jungen, steifen Mann zu begeistern, denn erstmals meldete er sich selbst zu Wort: »Es war eine Revolution, als vor zehn Jahren das erste Kühlschiff in Buenos Aires eintraf. Diese Erfindung gewährleistet ganz neue Exportmöglichkeiten für Fleisch, ganz zu schweigen von der Herstellung von Corned Beef. Dass die Viehhändler in den letzten Jahrzehnten die Qualität der Herden gesteigert haben, indem sie besseres Zuchttier kauften, lässt darauf hoffen, dass wir gemeinsam mit Argentinien über Jahre eine Monopolstellung innehaben werden.«
    Er redete immer eifriger und gestikulierte wild mit den Händen, was in Tabithas Augen sehr weibisch anmutete. Überdies war er so blutleer, dass sie sich kaum vorstellen konnte, er hätte jemals mit gutem Appetit das Fleisch gegessen, von dem er sprach.
    Unwillkürlich verglich sie ihn mit José. Anstelle von dessen kräftigem, würzigem Geruch verströmte Alonso nur den süßlichen eines Duftwassers, der Tabitha unangenehm in der Nase kitzelte.
    »Da nun also Alonso mit deutschen Kaufleuten in Verhandlungen treten will, dachte ich mir, du könntest ihm ein bisschen von den Sitten und Bräuchen deiner Heimat erzählen«, schaltete sich Julio wieder ein. »Ich habe ihn morgen zum Mittagessen eingeladen. Und vielleicht könntet ihr gemeinsam die Oper besuchen.«
    Das also war des Rätsels Lösung! Warum hatte er das nicht gleich gesagt, anstatt enervierend lange auf dem Export von Fleisch herumzureiten? Wenn es weiter nichts war …
    »Aber natürlich!«, rief Tabitha – weniger über die Aussicht begeistert, mit Alonso Zeit zu verbringen, als davon, sich nun endlich zurückziehen zu können.
    In der Tat verabschiedete sich Alonso bald mit einem zweiten Handkuss, doch als Tabitha ihm hastig folgen wollte, stellte sich ihr Leonora in den Weg.
    »Bleib noch ein wenig hier«, forderte Julio sie auf.
    Tabitha fuhr herum. Das Schweigen, das folgte, wirkte ebenso angespannt wie Leonoras Lächeln und Julios Blick.
    »Ein netter junger Mann, dieser Alonso, nicht wahr?«, fragte er gedehnt.
    Tabitha verkniff es sich, zu widersprechen, und zuckte stattdessen nur die Schultern. Julio gedachte sie offenbar zu verkuppeln, um daraus irgendwelche Vorteile für seine Geschäfte herauszuschlagen. Was wiederum lästig war, aber keine ernsthafte Bedrohung. Er würde es niemals wagen, sie gegen den Willen ihrer Großeltern mit einem Mann zu vermählen. Und diese wiederum würden sie niemals zu einer Ehe zwingen, wie sie ihr oft genug beteuert hatten.
    »Und er ist sehr ehrgeizig«, fügte Julio hinzu.
    »Ja«, murmelte sie leise.
    »Dass ich ein so erfolgreicher Kaufmann wurde, habe ich deinem Großvater zu verdanken, genauer gesagt deinem Groß0nkel Carl-Theodor«, fuhr Julio fort. »Nach dem Tod deines Großonkels sind zwar unsere geschäftlichen Beziehungen fast vollkommen zum Erliegen gekommen, zumal dein Großvater dem Handel mit Übersee kaum Bedeutung zumisst, aber die Exportgeschäfte mit den Hamburger und Bremer Kaufleuten, die ich bis heute pflege, wären ohne die jahrzehntelange Verbindung mit dem Haus Gothmann nicht denkbar. Und das werde ich mein Lebtag lang nicht vergessen.«
    »Gewiss«, sagte sie. Worauf wollte er nur hinaus?
    »Nicht dass ich ihnen nicht selbst häufig meinen Dank bekundet habe. Aber ich sage es dir noch einmal, damit du verstehst, dass mir dein Wohlbefinden ein besonders großes Anliegen ist.«
    Tabitha rang sich ein Lächeln ab: »Mir geht es gut hier!«
    »Wirklich?«, fragte Julio gedehnt. »Alonso wäre eine gute Partie für dich. Er stammt aus einer alteingesessenen Familie Montevideos.«
    Tabitha konnte ihr Unbehagen nicht länger

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