Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
eigentlich die Dienerschaft zu essen?«, fragte sie unwillkürlich.
    Leonora hob missbilligend die Augenbraue – Isabella jedoch antwortete bereitwillig: »Die Mädchen meist die Reste aus der Küche – und die Männer, die im Garten und Stall arbeiten, grillen sich ihr Fleisch selbst.«
    »Sie essen Fleisch und sonst gar nichts?«
    »Das wird ja wohl genügen«, schaltete sich Leonora mit schriller Stimme ein. »Brot und Gemüse sind etwas für die feinen Leute.«
    »Und immerhin bekommen sie noch Rum – Caña«, sagte Isabella.
    »Gott gebe, es wäre etwas weniger!«, stöhnte Leonora. »Aber Julio ist zu großzügig; er hat ja selbst auch nie beim Whiskey gespart.«
    »Sie sind doch alle tüchtig und leisten gute Arbeit«, sagte Tabitha. »Also können sie keine Trunkenbolde sein.«
    Leonora starrte sie finster an: »Was verstehst du denn davon? Deine Großeltern lassen dir schließlich alle Freiheiten, anstatt dich zu lehren, wie man einen Haushalt führt.« Soweit Tabitha das mitbekam, war auch Leonora diesbezüglich sehr träge und überließ es Isabella, den Menüplan zu bestimmen und die Dienstboten anzuleiten. Aber sie wollte sich auf keinen Streit einlassen. »Ich habe wirklich keinen Appetit«, erklärte sie leise, »vielleicht habe ich mir den Magen verdorben. Darf ich mich nach oben zurückziehen?«
    Leonora betrachtete sie kopfschüttelnd, doch Isabella lächelte mitleidig. »Natürlich darfst du.«
    Tabitha tat so, als würde sie nach oben gehen, bog aber vor der Treppe ab, durchquerte den Patio und gelangte zu den Stallungen.
    José hockte vor dem Tor und hielt sein Gesicht in die Sonne. Nicht weit davon brutzelte auf dem Grill tatsächlich Rindfleisch – sonst nichts. Offenbar war es noch nicht fertig, denn seine Augen waren geschlossen. Tabitha näherte sich ihm lautlos und blickte ihn eine Weile hingerissen an. Selbst dösend verströmte er so etwas … Wildes. Er erinnerte sie an einen der Löwen, die sie einmal im Frankfurter Zoo gesehen hatte. Auch diese hatten nur träge in der Mittagssonne gelungert und dennoch die Erhabenheit eines Raubtiers ausgestrahlt, das für sein eigenes Überleben töten musste.
    José blickte hoch. »Niña Tabitha? Ich dachte, Sie wären beim Essen. Oder wollen Sie doch noch einmal reiten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.«
    Hastig holte sie aus der Tasche ihres Kleides ein Stück Brot, das sie vorhin unauffällig von der Tafel hatte mitgehen lassen.
    José grinste breit. »Denken Sie, Ihr Onkel lässt uns verhungern?«
    »Nein, aber Sie bekommen doch immer nur Fleisch.«
    Blitzschnell erhob er sich und sah von oben auf sie herab. »Nun, echte Männer brauchen kein Brot.«
    Seine Worte machten sie verlegen. Eigentlich hätte sie sich das denken können, und sein Schmunzeln verriet wohl nur zu deutlich, wofür er sie in Wahrheit hielt: für ein unwissendes, naives Mädchen. Blut schoss ihr heiß ins Gesicht, und sie drehte sich eilig um. Doch kaum war sie ein paar Schritte gegangen, versperrte José ihr den Weg.
    Sie erschauderte.
    »Auch wenn ich wenig Brot esse, freut es mich trotzdem, dass Sie an mich gedacht haben«, sagte er leise mit dieser rauchigen Stimme.
    Er nahm ihr das Brot ab und hielt ihre Hand dabei etwas länger als notwendig. Schließlich trat er in den Schatten hinter dem Brunnen und verspeiste dort das Brot. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und blieb abwartend stehen.
    Nachdem er das Brot aufgegessen hatte, musterte er sie forsch von oben bis unten. So eindringlich hatte sie noch kein Mann angeschaut, weder hier, wo ihr manchmal Geschäftspartner von Julio vorgestellt wurden, noch im Taunus, wo ihre Großeltern oft Gäste hatten. Diese Männer waren immer steif, höflich und zurückhaltend gewesen.
    Er lächelte breit. »Wollen Sie nun noch einmal auf dem Pferd sitzen?«, fragte er.
    Darauf hätte Tabitha eigentlich gern verzichtet, allerdings wollte sie wieder seine kräftigen Hände um ihre Taille spüren, und deswegen nickte sie eifrig.
    Wenig später saß sie auf dem schnaubenden Ungetüm und kämpfte darum, eine möglichst gleichmütige Miene aufzusetzen. In Wahrheit ängstigte sie sich zu Tode.
    »Sie sind sehr mutig, Niña«, bemerkte José mit leisem Spott.
    »Nennen Sie mich doch Tabitha.«
    Er lächelte abermals unergründlich, zog sie vom Pferd und hielt sie erneut länger fest, als es notwendig gewesen wäre.
    Eben noch hatte sie sich alles andere als mutig gefühlt, doch nun wollte sie ihm

Weitere Kostenlose Bücher