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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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gar nicht sah, wohin sie lief. Sie blieb erst stehen, als plötzlich eine Stimme ertönte. »Claire, was machst du denn hier?«
    Sie blickte hoch – und direkt in Luis’ Gesicht. Er kehrte gerade von seinem Dienst heim, denn er trug eine Uniform, die nach einem langen Tag völlig verstaubt war – offenbar war er immer noch damit beschäftigt, das Chaos nach dem Erdbeben zu beseitigen.
    Sein Blick wanderte über sie, während Antonios nach wie vor fragend auf sie gerichtet war.
    »Du hast Antonio kennengelernt?«, erkundigte er sich schließlich gedehnt.
    Sie fühlte sich, als hätte sie etwas Verbotenes getan. Rasch versuchte sie, den Verdacht auszuräumen, sie hätte ihm nachspioniert. »Ich wollte mich bedanken«, sagte sie, »für deine Hilfe im Krankenhaus. Und ich habe dir etwas mitgebracht … ein Glas selbstgemachtes Pfirsichkompott … Ich baue in meinem Garten viel Obst und Gemüse an. Ich habe einen großen Garten, musst du wissen, etwas außerhalb von Montevideo, und …«
    Sie brach ab. Mit jedem Wort wuchs ihre Verlegenheit. »Ich wollte dich ganz sicher nicht belästigen«, fuhr sie hastig fort. »Und noch weniger deine Familie. Sag das auch deiner Frau, die gewiss …«
    »Mein Frau ist seit Jahren tot«, fiel er ihr ins Wort.
    »Oh!«
    »Sie ist bei Dolores’ Geburt gestorben.«
    Sie wusste nichts zu sagen und blickte betreten auf das Glas Kompott, das sie aus der Tasche gezogen hatte. Sie war sich nicht sicher, ob sie es ihm reichen sollte, und er machte keine Anstalten, es zu nehmen. Vor Verlegenheit wäre sie am liebsten im Boden versunken, doch plötzlich trat Antonio näher und streckte die Hand nach dem Glas aus.
    »Die beiden Mädchen werden sich sicher darüber freuen«, erklärte er begeistert. »Meistens koche ich, und das mehr schlecht als recht. Da ist es gut, wenn wir einmal einen leckeren Nachtisch bekommen.«
    Claire lächelte, aber es geriet etwas gequält, und Luis blieb weiterhin stumm.
    »Sind Sie eine Freundin meines Vaters?«, fragte Antonio, nachdem er ihr das Glas abgenommen hatte.
    »Sei nicht so neugierig, Antonio!«, rügte Luis ihn. Seine Stimme klang belegt – als ob er den gleichen Druck wie sie auf seiner Brust fühlte.
    »Ja, das bin ich«, murmelte Claire, »ich sollte nun wieder gehen.«
    »Wollen Sie nicht zum Abendessen bleiben?«
    »Antonio!«, mahnte Luis.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich nicht, ich störe sicher nur, ich muss auch wieder nach Hause …«
    Sie eilte davon, doch zu ihrer großen Beschämung stolperte sie schon nach wenigen Schritten über die eigenen Füße und fiel auf die Knie.
    Luis war sofort an ihrer Seite und streckte seine Hände nach ihr aus. Kurz berührten sie sich, doch sie zuckte zurück und erhob sich ohne seine Hilfe.
    »Ich … ich wollte dich wirklich nicht belästigen«, wiederholte sie heiser. »Ich hätte nicht herkommen sollen.«
    Kurz wurde Luis’ Miene abweisend, und sie wollte schon weitereilen, aber dann verzogen sich seine Lippen zum Anflug eines Lächelns.
    »Danke für dein Geschenk. Antonio hat recht – die Mädchen werden sich sehr darüber freuen. Und vielleicht kannst du wirklich einmal zum Abendessen kommen, nicht heute, aber in den nächsten Tagen.«
    Er wirkte etwas unschlüssig, und sie war es auch. »Ich denke darüber nach«, erwiderte sie, ehe sie mit hochrotem Gesicht davonlief. Als sie die Kutsche erreichte, konnte sie kaum noch atmen. Sie zitterte am ganzen Leib, und als Claudio losfuhr und sie einen letzten Blick auf Antonio und Luis warf, die vor dem Haus standen und ihr nachblickten, musste sie vor Aufregung lachen und weinen zugleich.

35. Kapitel
    C arlota schritt ehrfürchtig durch das Haus der Gothmanns. In den ersten Wochen wäre sie am liebsten nur staunend von Zimmer zu Zimmer gegangen, aber hier war sie Tabitha, und die war an allen erdenklichen Luxus von klein auf gewöhnt. Also hatte sie meist ihr Verlangen unterdrückt, den Blick gesenkt und so getan, als wäre alles selbstverständlich. Nur wenn ihre Großeltern – so wie jetzt – beschäftigt waren, konnte sie alles hingebungsvoll bewundern.
    Wie die de la Vegas’ hatten auch Albert und Rosa die Täuschung nicht durchschaut. Voller Sorgen hatten sie sie in die Arme geschlossen, beklagt, dass sie krank und verändert aussehe, aber sich nicht weiter darüber gewundert: Nach dem Erdbeben und der langen Schifffahrt war dies schließlich zu erwarten.
    Seitdem war Carlota immer wieder in Situationen geraten, die

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