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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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hätte, doch Albert blickte ihr nur verwirrt nach, wollte sie in Gegenwart der Familie von Wacker aber nicht zur Rede stellen.
    Carlota lächelte vor sich hin. Nicht nur dass sie in Wahrheit gar keine Kopfschmerzen hatte – sie fühlte sich wohl wie selten und ging so leichtfüßig, als schwebte sie über den marmornen Boden.
    Zunächst schlug sie zwar die Richtung zur Treppe ein, aber als sie aus dem Blickfeld ihres Großvaters verschwunden war, huschte sie hinaus in den Garten. In der Dunkelheit konnte man die sorgsam zurechtgestutzten Hecken und die vielen Blumenbeete nicht sehen, doch sie labte sich an ihrem süßlichen Geruch – und dem herbstlichen nach nasser Erde. In den ersten Wochen war er ihr so fremd gewesen, doch in der Euphorie, die sie befallen hatte, fühlte sie sich hier erstmals zu Hause.
    »So ganz allein hier draußen?«
    Carlota fuhr herum. Sie hätte es nie zu hoffen gewagt, aber tatsächlich war es niemand anderer als Nicolas, der auf sie zutrat.
    »Bedarf man Ihrer Künste denn nicht länger?«, fragte sie freudig überrascht.
    »Doch schon, aber man hat uns allen eine kurze Pause gestattet – eine Pause für … das hier …«
    Er zündete mit einem Streichholz eine Zigarette an und sog daran. Als er ausatmete, achtete er darauf, dass Carlota keinen Rauch abbekam, doch die wich nicht zurück, sondern steckte den Kopf in die graue Wolke. In Montevideo rauchte jedermann, auch ihr Vater und viele Frauen, und daher hatte sie regelmäßig an seinen Zigaretten gezogen. Hier galt es für ein Mädchen als höchst unanständig, und sie hatte das Rauchen manchmal schmerzlich vermisst.
    »Kann ich auch eine haben?«, fragte sie schnell.
    Nicolas schien von ihrem Verhalten nicht abgeschreckt, sondern grinste breit, und sie erwiderte sein Lächeln etwas verlegen.
    »Ich weiß, es steht einer Dame nicht gut, zu rauchen, aber …«
    »Ich stelle mir das Leben einer Dame als sehr langweilig vor«, unterbrach er sie.
    »Sie sagen es!«, rief sie im Brustton der Überzeugung.
    »Aber auch wer keine Dame sein will, wird doch gewiss einen Namen haben.«
    »Selbstverständlich. Ich bin Car… Tabitha.«
    »Tabitha.« Er betonte den Namen ganz eigentümlich; aus seinem Mund klang er wie Musik. Bis jetzt hatte sie sich nicht daran gewöhnen können, dass man sie Tabitha nannte, doch jetzt dachte sie, dass sie für immer so heißen wollte.
    »Es ist kein alltäglicher Name«, erwiderte er.
    »Und ich bin keine alltägliche Frau«, meinte sie kokett.
    Sein Grinsen wurde breiter, und seine weißen Zähne blitzten in der Dunkelheit. »Da haben Sie auch wieder recht. Im Übrigen sollte ich mich natürlich auch vorstellen.«
    »Sie heißen Nicolas – das habe ich schon gehört. Was mich ungleich mehr interessiert: Wie lange werden Sie in dieser Gegend bleiben?«
    »Sie scheinen direkte Fragen nicht zu scheuen.«
    »Warum auch Zeit verschwenden mit all diesen hohlen Phrasen!« Mit einem Seufzen deutete sie hinter sich Richtung Ballsaal. »Es ist oft schrecklich langweilig, mit all den feinen Herrschaften zu plaudern.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Nun, ich habe seit einigen Wochen eine kleine Wohnung in Frankfurt bezogen, und ich werde wohl noch länger bleiben, dank eines Engagements an der hiesigen Oper. Wie lange ich es tatsächlich aushalte – wer weiß. Bis jetzt bin ich nie länger als einige Monate an einem Ort geblieben.«
    Carlota lauschte zunehmend fasziniert. Früher hatte sie oft davon geträumt, Reisen in die unterschiedlichsten Länder zu machen. In diesen Träumen war sie natürlich immer reich genug gewesen, um sich die besten Hotels zu leisten. Dieser Nicolas war als Musiker wahrscheinlich nicht sonderlich wohlhabend, aber in diesem Augenblick war ihr das egal.
    Mittlerweile hatte er ihr eine Zigarette gegeben und sie angezündet. Sie sog begierig daran und unterdrückte ein Husten. »Mein Großvater darf mich so aber nicht sehen.«
    »Ihr Großvater ist Albert Gothmann, nicht wahr? Nun, an seiner Stelle würde ich Ihnen auch Zigaretten verbieten.«
    »Warum das denn? Haben Sie etwa doch eine Vorliebe für wohlerzogene Damen, die stets freundlich lächeln und den Mund nicht aufkriegen?«
    »So wie Sie lächelt gewiss keine«, gab er charmant zurück. »Ich fürchte nur, die Zigaretten ruinieren Ihre Stimme – und Sie haben bestimmt eine wunderschöne Stimme.«
    »Aber das können Sie doch gar nicht wissen! Sie haben mich schließlich noch nicht singen gehört.«
    »Ich hatte die Ehre,

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