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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Alfajores zu backen?«
    »Das war Eva. Eva kocht besser als Antonio«, erzählte Dolores.
    Monica widersprach streng: »Sei nicht ungerecht. Eva backt ständig Kuchen, doch davon bekommt man nur Zahnweh.«
    »Letzte Woche habe ich einen Zahn verloren!«, rief Dolores stolz. »Willst du das Loch sehen?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, machte sie den Mund so weit wie möglich auf.
    Claire begutachtete anerkennend die Zahnlücke, ehe sie fragte: »Und wer ist Eva?«
    Erstmals meldete sich Luis zu Wort. »Eine Nachbarin. Sie sorgt tagsüber für die Kinder, wenn ich arbeite und Antonio in der Schule ist. Mir ist es wichtig, dass er keine Stunde versäumt. Er … er soll es einmal besser haben als ich.«
    Antonio verdrehte die Augen. »Aber in der Schule ist es so schrecklich langweilig!«
    Claire lachte, wurde aber rasch wieder ernst. »Nun, dein Vater hat recht. Bildung ist wichtig. José Pedro Varela, ein großer Politiker, hat gesagt, dass sie die Grundlage für Demokratisierung und Wohlstand sei so wie in den USA .«
    »Tja«, meinte Luis zynisch, »und ausgerechnet ein Diktator hat seine Ideen aufgegriffen.«
    Er meinte Lorenzo Latorre, der bis vor kurzem die Macht in Uruguay innegehabt hatte und auf Basis von Varelas Ideen das Bildungssystem revolutioniert hatte – trotz des erbitterten Widerstands von Kirche und Universitäten.
    Claire seufzte. »Manchmal ist eine Diktatur unvermeidlich und erst die Voraussetzung für spätere Freiheit. Ich meine, diese vielen politischen Unruhen der letzten Jahrzehnte, der stete Streit zwischen Land und Stadt, Blancos und Colorados, haben das Land geschwächt. In einer Demokratie hätte der Parteienstreit jeglichen Fortschritt unmöglich gemacht. Latorre dagegen gelang es, mit der Unterstützung des Militärs das Land neu zu organisieren.«
    »Es spricht aber gegen unser Land, dass selbst ein Diktator wie er schließlich meinte, die Uruguayer seien unregierbar, und er lieber freiwillig ins Exil ginge.«
    »Auf seine Bildungsreform möchte ich trotzdem nicht verzichten.«
    »Wobei man sich fragt, ob sie wirklich so viel gebracht hat. Die Hälfte der Bevölkerung kann immer noch nicht lesen und schreiben. Meine drei Kinder sollen es auf jeden Fall besser haben.«
    Antonio verdrehte erneut die Augen, aber in Claire erwachte Wehmut. Sie erinnerte sich daran, dass sie Luis nicht nur geliebt und begehrt hatte, sondern mit ihm über so viele Themen hatte sprechen können. Den intellektuellen Austausch hatte sie nicht minder vermisst wie seine Nähe.
    Luis schien Ähnliches zu denken, denn als sich ihre Blicke trafen, war seiner nicht länger ausdruckslos, sondern traurig … und sehnsüchtig. Rasch senkte er seinen Blick, griff zu seinem Weinglas und trank in großen Zügen.
    Claire wurde die Kehle eng, und um den Schmerz nicht übermächtig werden zu lassen, fragte sie schnell: »Macht dir denn gar nichts in der Schule Spaß?«
    »Doch«, gab Antonio widerwillig zu, »zumindest der Spanischunterricht. Ich erzähle meinen Schwestern immer Gutenachtgeschichten – und später schreibe ich sie manchmal auch auf. Ich will einmal Schriftsteller werden. Oder Journalist.«
    Claire nickte anerkennend. »Vielleicht kann ich dir später mal behilflich sein. Ich kenne José Batlle y Ordóñez ganz gut.«
    Antonio sah sie fragend an, und Luis erklärte schnell: »Das ist auch ein Journalist. Er hat vor zwei Jahren die Zeitung
El Día
gegründet. Sein Hauptanliegen ist es, die Krankheiten des Landes aufzuzeigen – und Heilungsmöglichkeiten.«
    »Welche Krankheiten?«, fragte Antonio. »Die Grippe? Oder der Keuchhusten?«
    »Nein«, Luis musste unfreiwillig schmunzeln. »Er meint die soziale Kluft.«
    »Unter anderem setzt er sich für den Achtstundentag ein«, wandte Claire ein.
    »Was ist das denn?«, fragte Dolores, der es sichtlich langweilig zu werden begann und die unruhig auf ihrem Sessel herumrutschte.
    »Da geht es um ein Gesetz, das dafür sorgt, dass man nicht länger als acht Stunden arbeitet.«
    Monica seufzte. »Es wäre schön, wenn dieses Gesetz kommen würde! Du arbeitest immer viel länger, Papá, und du bist fast nie zu Hause.«
    Claire sah Luis das schlechte Gewissen an, doch Antonio sagte schnell: »Dafür bin ich ja da.« Er wandte sich an Claire: »Könnten Sie mich diesem Journalisten einmal vorstellen?«
    Claire wollte eifrig zustimmen, aber Luis sagte: »Gemach, gemach, jetzt essen wir erst einmal.«
    »Aber wir sind doch schon fertig«, erwiderte Antonio. »Es sind

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