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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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fast keine Alfajores mehr da.«
    »Schade!«, krähte Dolores dazwischen.
    Claire strich sich über den vollen Bauch. »Es hat ausgezeichnet geschmeckt. Hast du wirklich alles selbst gekocht?«
    Antonio nickte stolz, und Monica fügte hinzu: »Er wäscht auch die Wäsche. Aber flicken kann er sie nicht. Das mache ich.«
    »Und gewiss machst du das ganz großartig!«, lobte Claire, woraufhin das bis jetzt so ernste Mädchen lächelte und errötete.
    »Nach dem Tod meiner Frau mussten wir eben irgendwie weitermachen«, murmelte Luis. »Immerhin war Antonio damals schon acht Jahre alt – und mir eine große Hilfe.«
    Trotzdem war er kaum mehr als ein kleiner Junge gewesen, dachte Claire. Sie musterte die Kinder. Monica war damals wohl um die zwei gewesen, Dolores gerade erst geboren. Es musste schwer, wenn nicht unmöglich gewesen sein, die Lücke zu füllen. Doch trotz der Last, die Antonio von klein auf zu schultern hatte, war er ein fröhlicher, aufgeweckter junger Bursche, Dolores ganz entzückend, und Monica verbarg hinter der etwas rauhen Schale bestimmt einen weichen Kern.
    »Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, Journalist zu werden?«, fragte Claire.
    »Natürlich wegen Papa. Er ist ja auch Journalist.«
    »Tatsächlich?«, entfuhr es ihr erstaunt. »Ich dachte, du arbeitest bei der Eisenbahn!«
    »Ja, aber vor einigen Jahren wurde die Gewerkschaft gegründet und eine entsprechende Gewerkschaftszeitung. Das haben wir den vielen Einwanderern aus Europa zu verdanken, die die sozialen Ideen von dort mitbrachten. Und auch Präsident Santos.«
    »Autoritär wie Latorre, aber wie dieser voller Eifer, die Wirtschaft zu modernisieren, die Infrastruktur auszubauen und das Bildungswesen weiter zu reformieren«, sagte Claire schnell.
    Dolores’ Stuhl fiel fast um, weil sie so heftig kippelte, und Monica verkniff sich mit Mühe ein Gähnen, aber Antonio sagte stolz: »Papa hat zwar nicht so lange die Schule besucht wie ich, aber er ist trotzdem sehr gebildet.«
    Claire lächelte. »Ich weiß. Nicht nur, was die Politik anbelangt. Er versteht auch viel von den Naturwissenschaften – all den Pflanzen und Tieren.«
    »Ich wünsche mir so sehr einen Papagei«, rief Monica dazwischen.
    »Au ja!«, stimmte Dolores ein.
    »Früher bin ich einmal mit eurem Vater durchs Land gereist, und damals haben wir viele Papageien gesehen. Doch so schön sie auch anzusehen sind, für die Bauern sind sie eine echte Plage.«
    »Wirklich?«, fragte Monica. »Wann sind Sie denn mit Papa verreist?«
    Und Antonio wollte wissen: »Wie lange kennen Sie ihn eigentlich?«
    Claire hatte sich schon vorgebeugt, um zu antworten, aber plötzlich stellte Luis mit lautem Klirren das Weinglas auf den Tisch. Sein Gesicht war gerötet, und mit schroffer Stimme erklärte er: »Das ist Ewigkeiten her und kaum der Rede wert.«
    Die Mädchen wollten noch etwas sagen, doch er fuhr ihnen scharf über den Mund: »Es ist auch bald Schlafenszeit.«
    Antonio schien ebenso neugierig wie seine Schwestern, ahnte jedoch wohl, dass man den Vater in diesem Gemütszustand nicht weiter bedrängen durfte. Er erhob sich hastig, um das Geschirr abzuräumen. »Bevor ihr ins Bett geht, helft ihr mir beim Abwaschen!«, forderte er seine Schwestern auf.
    Die Papageien waren vergessen. Dolores verzog unwillig ihr Gesicht. »Aber ich habe keine Lust!«
    »Nichts da!«, ermahnte Antonio sie mit aufgesetzter Strenge. »Wer Alfajores essen will, muss danach auch Geschirr spülen – aber dafür erzähle ich euch später eine Geschichte.«
    »Au ja!« Dolores klatschte begeistert in die Hände und folgte Antonio und Monica in die Küche. Eine Weile hörten Luis und Claire dem Geklapper von Geschirr, dem Kichern und Plappern zu, schwiegen aber selbst.
    Claire blickte peinlich berührt auf ihre Hände und bereute zutiefst, dass sie die Vergangenheit erwähnt hatte. »Ich wollte keine alten Wunden aufreißen«, murmelte sie verlegen.
    Luis’ Gesicht blieb ausdruckslos, aber an seiner brüchigen Stimme erkannte sie, dass sie mit jedem Wort alles nur noch schlimmer gemacht hatte. »Wie kommst du auf die Idee, du hättest die Macht dazu?«, zischte er.
    Claire zuckte zusammen. Sie wusste nicht, wann genau sich die Stimmung so verändert hatte. Eben noch hatte Luis so entspannt gewirkt, jetzt regelrecht feindselig. Es bedrückte sie, machte sie hilflos – und zugleich wütend. Eine Weile rang sie nach Worten, um ihn zu besänftigen, aber plötzlich spürte sie einen tiefen

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