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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Italiener. Das mögen alles tüchtige Bauern und Handwerker sein, aber sie verdienen bei weitem nicht so viel Geld.«
    »Aber du bist kein Engländer«, wandte Tabitha ein.
    »Na und? Ich habe bereits viel über Schafzucht gelernt. Das größte Problem ist, dass sich die Schafzucht trotz aller Verbesserungen noch nicht auf europäischem Standard befindet. Die Rassen werden nicht getrennt, die Begattung erfolgt oft willkürlich, viele Schafe werden außerhalb der Stallung groß. Das bedeutet, dass sie nicht vor Nässe geschützt sind und ihre Wolle darum von minderer Qualität ist.«
    »Was nutzt dir dieses Wissen, wenn Engländer nur ihresgleichen anstellen?«
    Eben noch hatte er sehr eifrig gewirkt, nun umwölkte sich sein Blick.
    »Wenn du nicht an mich glaubst, dann geh!«, kam es harsch.
    Neue Tränen stiegen ihr in die Augen. »Ich bin schwanger, ich habe kein Geld, meine Mutter ist blind und mein Vater so streng. Ich kann auch nicht mehr zurück zu den de la Vegas’ … Ich kann nirgendwo hingehen. Und jetzt schickst auch du mich fort?«
    Er seufzte und wirkte sichtlich ungeduldig, dennoch ergriff er wieder ihre Hände. »Ach Tabitha, ich hab’s doch nicht so gemeint. Es wird schon alles gut, natürlich bleiben wir zusammen.«
    »Und du freust dich auf unser Kind?«
    Anstatt zu antworten, sagte er schnell: »Am besten, du gehst nach Hause und packst wie ich deine Sachen. Wir treffen uns am Abend vor der Kathedrale. Ich habe von meinem restlichen Lohn ein Pferd gekauft, damit können wir noch heute die Stadt verlassen.«
    Sie hatte so gehofft, dass er für sie Pläne machte und dass diese eine gemeinsame Zukunft vorsahen, aber als sie versuchte, sich ihr künftiges Leben mit José auszumalen, packte sie plötzlich die Angst. Sie bedauerte kaum, ihre ohnehin fremden Eltern nie wiederzusehen, jedoch umso mehr, nie wieder im weichen Bett bei den de la Vegas’ zu schlafen. Solange sie sich in Montevideo aufhielt, nur wenige Viertel von ihrem alten Leben entfernt, hatte sie vermeint, es jederzeit wieder aufnehmen zu können, doch wenn sie nun mit José wegging, gab es kein Zurück mehr. Und an seiner Seite winkten zwar Abenteuer und Freiheit, aber auch Armut und Dreck.
    Nun war sie sich nicht mehr ganz so sicher, dass ihre kleine Familie wirklich glücklicher werden würde als die von Valentín, Valeria und Carlota.
    »Und du denkst, du wirst tatsächlich bei einer Schafzucht Arbeit finden?«, fragte sie zweifelnd.
    »Ich werde dich nicht verhungern lassen, und dein … unser Kind auch nicht.«
    »Und warum brechen wir nicht sofort auf? Warum warten wir noch bis zum Abend?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe hier noch etwas zu erledigen. Und vielleicht kannst du etwas Geld von zu Hause mitnehmen. Wir werden es brauchen.«
    Hatte er nicht gerade gesagt, er würde sie und das Kind ernähren?
    Tabitha brachte keinen Einwand hervor, und auch er sagte nichts mehr, sondern hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Er fiel nur flüchtig aus, sie spürte seine Lippen kaum.
    José wandte sich ab und packte weiter. Sie blieb eine Weile stehen, aber da er kein Wort mehr hervorbrachte, ging sie zur Tür.
    »Bis später«, murmelte sie.
    »Wir sehen uns bei Sonnenuntergang«, erwiderte er, ohne noch einmal hochzublicken.
     
    Tabitha zögerte, heimzugehen. Wenn sie erst einmal das Haus betreten, ihre Habseligkeiten zusammengesucht und es wieder verlassen hätte, wäre ihre Zukunft endgültig besiegelt. Nicht dass sie ohne José leben wollte, aber wenn sie an ihn dachte, befiel sie keine Abenteuerlust oder Aufregung, sondern nur Angst. Die Übelkeit hatte nachgelassen, doch sie fühlte sich auf einmal so schwer und müde, als würde sie bald Fieber bekommen. Es war diese Erschöpfung, die sie letztlich doch nach Hause trieb. Mehr als alles andere wünschte sie sich, sich ins Bett zu legen und die Decke über den Kopf zu ziehen.
    Gottlob war Valentín immer noch im Saladero, und Valeria starrte blicklos vor sich hin. Ihr merkwürdiges Verhalten von vorhin hatte sie offenbar vergessen, sondern war in düstere Gedanken versunken.
    »Carlota?«, fragte sie lediglich leise.
    »Ich gehe nach oben«, sagte Tabitha schnell.
    Sie mied den Anblick der blinden Mutter, konnte das schlechte Gewissen ihr gegenüber aber nicht abschütteln. Sie war ihr nichts schuldig, schließlich hatte sie sie selbst gleich nach der Geburt weggegeben – aus welchen Gründen auch immer –, dennoch fühlte sie sich schäbig, sie nun einfach im Stich zu

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