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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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er einen Schritt auf Carlota zugemacht. »Rühren Sie sich nicht!«, schrie Laurent.
    »Hören Sie mir zu, Monsieur Ledoux«, flehte Albert. »Sie fordern Genugtuung, und die sollen Sie auch haben. Ich begebe mich in Ihre Hand – machen Sie mit mir, was Sie wollen. Aber lassen Sie meine Enkeltochter frei, und lassen Sie auch meine Frau gehen.«
    Ein grausames Lächeln verzerrte Laurents Mund. »Es ist nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen«, presste er hervor. »Die wahre Prüfung für mich war, ohne meinen Vater groß zu werden. Der Verlust von Menschen, die einem nahestehen, ist so viel schlimmer als der eigene Tod.«
    Carlotas Mut sank. Er war wirklich dazu entschlossen, sie zu töten. Und Nicolas hatte es gewusst.
    »Wie konntest du …«, stieß sie aus.
    »Ich wusste nicht, dass er so weit gehen würde, wirklich nicht. Ich wollte nie …«
    »Du hast mir deine Liebe nur vorgespielt!«
    »Nein! So ist es nicht, ich …«
    »Genug!« Laurents Stimme klang wie ein Peitschenknall. Alle zuckten zusammen. Langsam richtete er seine Pistole von Albert auf Carlota und presste sie ihr direkt auf die Schläfe. Das Metall war kalt, aber sie wurde plötzlich ganz ruhig. Da war kein Platz mehr für Liebeskummer, kein Mitleid für ihre entsetzte Großmutter, keine Angst vor einem viel zu frühen Tod. Da war nur die bittere Einsicht: Ich werde meine Eltern niemals wiedersehen. Ich werde nicht nach Montevideo heimkehren.
    Erst jetzt konnte sie sich die Sehnsucht nach ihrer Heimat und ihren Eltern eingestehen. Erst jetzt konnte sie zugeben, dass sie zu leichtherzig das vertraute Leben ihrem Begehren nach Wohlstand geopfert hatte.
    »Bitte lassen Sie Tabitha gehen«, flehte Albert wieder.
    Laurents Miene blieb verschlossen, aber Carlota wusste: Dies war ihre letzte Chance, um zu verhindern, dass sie mit einer Lüge starb.
    »Ich … ich bin nicht Tabitha«, sagte sie hastig. »Ich bin ihre Zwillingsschwester. Ich bin bei Valeria und Valentín aufgewachsen, die beiden sind nicht tot, wie sie es alle Welt haben glauben lassen. Meine Mutter wollte nichts mehr mit euch zu tun haben, aber dann … dann hat dieses Erdbeben Montevideo erschüttert, und ich bin zufällig Tabitha begegnet. Wir haben die Rollen getauscht und …«
    »Still!«
    Während Albert und Rosa einfach nur fassungslos lauschten, war Laurent sichtbar irritiert. Die Enthüllung von Familiengeheimnissen störte ihn dabei, den Moment der Rache auszukosten.
    Aber Carlota konnte nicht anders, als immer weiterzureden: »Es tut mir leid, so unendlich leid, dass ich euch angelogen habe, aber ich sehnte mich danach, reich zu sein, schöne Kleider zu tragen und …«
    Laurent hob seine freie Hand und wollte ihr offenbar eine Ohrfeige versetzen, damit sie endlich schwieg. Genau diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte Nicolas. Ehe Carlota sichs versah, stürzte er auf seinen Vater und riss ihn zurück. Laurent war erst überrascht, dann verärgert. Er stolperte, fiel gegen die Wand, fing sich aber rasch wieder und schlug auf den Sohn ein. Ein wildes Handgemenge entstand, ohne dass Carlota erkennen konnte, wer sich als der Stärkere erwies. Schon stand Albert an ihrer Seite und löste hastig die Fessel. »Was … was redest du denn da?«
    »Es stimmt. Ich bin nicht Tabitha, wenngleich trotzdem eure Enkeltochter und …«
    Auch Rosa eilte zu ihr und wollte sie aus der Hütte ziehen, doch Carlota konnte ihren Blick nicht von Vater und Sohn lassen.
    »Nicolas!«
    Dass er sich mit seinem Vater prügelte, war vielleicht ein Zeichen, dass er dessen Pläne doch nicht guthieß! Vielleicht war es sogar ein Zeichen, dass er sie trotz allem liebte!
    Kurz hatte es den Anschein, er könnte seinen Vater überwinden, doch als er ihr einen flehentlichen Blick zuwarf, versetzte Laurent ihm einen Faustschlag, Nicolas taumelte zurück, und Carlota sah Blut aus seiner Nase rinnen.
    »Nicolas!«, rief sie abermals.
    Sein Name blieb ihr in der Kehle stecken. Laurent hatte die Pistole nach wie vor in der Hand und umklammerte sie fest, ehe er sie auf sie richtete. Im nächsten Augenblick erklang ein ohrenbetäubend lauter Schuss. Sie spürte nicht, wo die Kugel sie traf, nur dass Schmerz in ihrem Körper förmlich explodierte und kein einziges Glied aussparte. Ein gleißendes Licht hüllte sie ein.
    »Tabitha!«
    Ihre Großeltern schrien diesen Namen – war doch ihre Enthüllung in diesem Augenblick bedeutungslos.
    »Nein«, flüsterte sie, »nein, ich bin Carlota.« Dann sackte

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