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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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von dort aus die Landschaft des Rhein-Main-Gebiets bewundern.
    Rosa klatschte in die Hände, so fasziniert war sie vom satten Grün der vielen Bäume; wenn der Main im Sonnenlicht funkelte, dachte sie an das Meer, und auch wenn sie hier dessen Weite vermisste, lachte sie vergnügt auf, manchmal so laut, dass Leute sie verwundert ansahen.
    »Es ist nicht üblich, hier so laut zu lachen«, sagte Albert, »der Turm gehört schließlich zum Gotteshaus.« Aber sein Blick fiel meist wohlwollend, wenn nicht hingerissen aus. So bezaubert er jedoch von seiner Frau war – auf seine Vorträge wollte er nicht verzichten, und sie fragte sich, ob er all seine Informationen in einem ähnlichen Notizbüchlein festgehalten hatte wie jenes, aus dem sie die Seiten gerissen und fortgeschleudert hatte.
    Weder stellte sie je Nachfragen, noch merkte sie sich etwas davon. Nur dann und wann berichtete er ihr von mancher Episode aus seiner Kindheit, die sie amüsierte – so auch, wie er im Jahre 1830 die Juli-Proteste erlebt hatte. Das Volk lehnte sich damals gegen die Entrichtung eines Sperrbatzens für Spätheimkehrer aus den Weingärten auf und ebenso gegen die Verordnung, wonach jeder Bürger abends eine Laterne zu tragen hätte.
    »Um auf die Obrigkeit zu spotten, haben alle Bürger am helllichten Tag eine Laterne herumgetragen – auch Carl-Theodor und ich«, schloss Albert.
    »Und dein Vater?«
    »Der natürlich nicht. Aber zumindest hat er es uns nicht verboten.«
    »Und jener Sperr… Sperr… Sperr…«
    »Der Sperrbatzen wurde abgeschafft, ja. Aber das nutzte meinem Bruder und mir wenig. Wären wir in jungen Jahren trunken heimgekommen, hätte es so oder so eine Standpauke gegeben.«
    Mitleidig legte Rosa ihre Hand auf seine und fühlte sich ihm, der wie sie unter einem strengen Vater zu leiden hatte, sehr nahe. Doch anstatt ihr mehr über seine Kindheit zu erzählen, begann er alsbald, über weitere Auswirkungen der Julirevolution zu dozieren.
    Am nächsten Tag besichtigten sie das Judenviertel, und während Rosa fasziniert auf die Löckchen der Orthodoxen starrte, sagte Albert respektvoll: »Von hier aus hat immerhin der Aufstieg der Rothschilds begonnen.«
    Rosa hatte diesen Namen noch nie gehört, und sie hätte auch gerne darauf verzichten können, mehr über die Familie zu erfahren, aber wie so oft fühlte sich Albert verpflichtet, ihr zu erklären, wie sich aus dem kleinen Bankhaus ein großes Unternehmen entwickelt hatte.
    Er klang schwärmerisch, und Rosa verstand nicht recht, warum er davon begeisterter war als vom Anblick eines grünen Baums. Zumindest versuchte sie zu erahnen, was in ihm vorging.
    »Offenbar würdest du es gern jener Familie gleichtun«, sagte sie.
    »Ja, natürlich!«, rief er enthusiastisch. »Und hier in Frankfurt bieten sich mir auch alle Möglichkeiten dazu.« Er blieb stehen, ergriff ihre Hände und berichtete mit energischer Stimme vom Aufstieg Frankfurts als bedeutendstem Bankplatz aufgrund seiner Lage am Schnittpunkt europäischer Handels- und Schifffahrtswege.
    »Wenn mein Vater etwas mehr Mut und Innovationsfreude bewiesen hätte – unser Bankhaus könnte längst so erfolgreich sein wie das von Georg Friedrich Metzler. So aber müssen wir fürs Erste zusehen, nicht inmitten der unzähligen Konkurrenz unterzugehen und … sag, langweile ich dich etwa?«
    Rosa hätte es gerne geleugnet, aber sie konnte nicht länger Interesse heucheln: »Ich merke mir die vielen Namen ja doch nicht«, erwiderte sie und lächelte ihn entwaffnend an.
    Albert runzelte die Stirn. Ihm schien unbegreiflich, warum sie nicht seine Begeisterung teilte. »Nun ja«, gab er schließlich nach. »Lass uns von etwas anderem reden. Ich könnte dir die Main-Neckar-Eisenbahnbrücke zeigen. Noch ist sie nicht fertiggestellt, aber bereits jetzt wird deutlich, dass sie ein regelrechtes Wunderwerk der Baukunst ist mit ihren zwanzig Bögen, den neun Flussöffnungen, dem roten Sandsteinquaderwerk und …«
    »Eigentlich würde ich lieber noch mehr Wälder sehen. So grüne Bäume wie hierzulande gibt es in Uruguay nicht.«
    Albert wirkte noch befremdeter, nickte jedoch schließlich. »Nun gut, dann lass uns jetzt heimkehren. Und ab morgen unternehmen wir einige Ausflüge ins Umland.«
    Von nun an kutschierten sie häufig in Frankfurts schöne Umgebung: Sie passierten die weiten Gärten vor den Toren der Stadt und fuhren durch den Stadtwald zum Forsthaus der Familie oder Richtung Taunus bis nach Kronthal – eine, wie Albert

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