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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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diese schliefen oder hoben nur müde den Kopf. Sie kehrten mit roten Gesichtern zurück aufs Schiff und warteten dort vergebens auf eine Abkühlung. Im Gegenteil, es wurde immer heißer. Nie hatte Valeria so geschwitzt wie in den Tagen, nachdem sie den Äquator überquert hatten.
    Die Mädchen klagten, woraufhin Carl-Theodor ungewohnt streng entgegenhielt: »Früher war man monatelang nach Montevideo unterwegs. Ihr werdet wohl diese wenigen Wochen aushalten!«
    Endlich ließ die Hitze ein wenig nach. Auf der südlichen Erdkugel herrschte schließlich gerade Winter, wenngleich es, wie Claire erklärte, in Uruguay nie so kalt wurde wie in Deutschland und dort auch kein Schnee fiel.
    Nach Teneriffa legten sie in Río de Janeiro an, doch zu Valerias Bedauern diente dieser Aufenthalt einzig dazu, neuen Proviant aufzuladen, so dass keine Zeit blieb, die Stadt zu erkunden. Bald ging es weiter an den Río de la Plata, wo sie zunächst heftige Stürme erwarteten. Der Regen stand wie eine graue Wand zwischen ihnen und dem Schiff, und erst als das Ziel kurz vor ihnen lag, klarte der Himmel wieder auf, und Valeria konnte mehr von der Heimat ihrer Mutter erahnen.
    Nahe der Einfahrt in den Río de la Plata erspähten sie in der Ferne und über einer Reihe blanker Sandberge die Kathedralstürme des Städtchens Maldonado, ehe sie um die äußerste Ecke der Banda Oriental bogen. In den nächsten Stunden war das Land nur ein grauer Streifen, zu dem sich nach einer Weile im Westen ein zweiter gesellte – die kleine Isla de las Flores, die aus drei dicht aneinander geschlossenen Felsrücken bestand und, zumindest auf den ersten Blick, bis auf einen Leuchtturm unbebaut war. Der Leuchtturm war hoch, dick und kegelförmig und mit einer mächtigen Laterne auf seiner Spitze versehen. Gleich daneben befand sich die quadratische Wohnung für Beamte, die dort ihren Dienst versahen.
    »Was für ein schrecklich langweiliges Leben diese Menschen fristen müssen!«, stieß Valeria aus.
    Claire zuckte die Schultern. »Irgendwie stelle ich es mir auch faszinierend vor. Denk doch nur – ganz allein auf einer Insel zu leben, umgeben nur von Naturgewalten …«
    »Und den ganzen Tag starrt man aufs Meer. Was für ein eintöniger Anblick, das ist ja wie auf hoher See. Und von den Blumen, die der Insel den Namen gaben, sieht man auch nichts, nur grauen Stein.«
    Immer näher kamen sie der Insel und erfuhren, dass hier nicht nur der Leuchtturm besetzt war, sondern es auch eine Quarantänestation gab. Jedes Schiff, das in Montevideo einlaufen wollte, musste knapp vor der Insel Anker werfen und dem Quarantänewächter Zugang zum Schiff gewähren, wo dieser die Reisenden untersuchte und feststellte, ob sie alle bei guter Gesundheit waren und keine gefährliche Krankheit einschleppten. Als der Wächter – in Begleitung des Kapitäns und des Schiffsarztes – auf die Insel zurückgekehrt war, war es Nacht geworden. Erst am nächsten Morgen nahm das Schiff wieder Fahrt auf, um die letzten drei Stunden zurückzulegen, die sie noch von Montevideo trennten.
    Dick hing der Frühnebel über dem Wasser, doch als er sich am späten Vormittag lichtete, konnten sie im Süden die Isla de Lobos erkennen – bewohnt von Seehunden, Albatrossen und Möwen – und im Westen das Festland. Als es den breiten La-Plata-Strom hinaufging, dessen gelbe Fluten eine scharfe Grenze mit dem Meerwasser bildeten und aus dem neugierige Seehunde emportauchten, kamen sie immer wieder an Leuchttürmen vorbei, und schließlich warfen sie einen ersten Blick auf die Stadt. Schon von weitem waren die hohen Türme der Kathedrale über dem niedrigen Vorland deutlich sichtbar, das es, wollte man den Hafen erreichen, zu umschiffen galt.
    Während Valeria begeistert lachte, meinte Claire bang: »Es heißt, die Gegend sei für Schiffer äußerst unheilvoll. Es gebe so viele kleine Klippen und Felsenspitzen, gegen die ein ungeübter Seemann stoßen könnte. Und der Hafen von Montevideo ist bei stürmischem Wetter unsicher – oft werden Schiffe losgerissen und ans Ufer geworfen.«
    »Du kannst doch schwimmen«, meinte Valeria trocken. »Und das Wasser ist hier nicht kalt – oder, Onkel Carl-Theodor?«
    »Abgehärtet muss man schon sein, wenn man sich zu dieser Jahreszeit in die Fluten stürzt«, erklärte Carl-Theodor.
    Anders als gestern regnete es nicht, aber der Wind wehte ziemlich scharf und vertrieb die letzten Reste des Morgendunstes, der über der Stadt lag: Nicht länger sahen sie

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