Die rote Agenda
einen großen Trainer hat.«
Der Russe
verbeugte sich und drückte seine Hand. »Herr Professor, es war mir eine Ehre,
Sie kennenzulernen. Sie haben mein ganzes Mitgefühl, die Schändung einer
Wohnung ist wie der Angriff eines Raubvogels auf ein Nest. Evgenij und ich
stehen Ihnen zur Verfügung. Wenn Sie uns brauchen, zögern Sie nicht, sich zu
melden. Wir bleiben noch ein paar Tage in Turin.«
Astoni dankte
ihm herzlich und umarmte schließlich Verena. »Es tut mir leid, Liebes, ich
hätte mir gewünscht, dass unser Wiedersehen unbeschwerter verläuft.«
»Das muss
dir nicht leidtun, Paolo. Mir tut es für dich leid! Aber sag mal, möchtest du
nicht lieber morgen die Wohnung anschauen? Du bist doch sicher sehr müde!«
Als sie das
sagte, sah Ogden, der hinter Astoni stand, sie an und schüttelte fast
unmerklich den Kopf. Verena begriff sofort, dass er aus irgendeinem Grund noch
am gleichen Abend mit Astoni in seine Wohnung gehen wollte, und machte daher
einen schnellen Rückzieher.
»Na ja,
Ogden hat vermutlich recht. Es ist besser, wenn du jetzt gehst, dann kannst du
gleich nachsehen, ob etwas Wichtiges fehlt.«
»Ja
gewiss«, räumte der Professor ein. Er winkte noch einmal in die Runde und
machte sich dann mit Ogden auf den Weg.
[83] 12
Als
sie in der Tiefgarage des Hotels ankamen, trafen sie dort Franz, der auf sie
wartete. Ogden hatte ihn übers Handy benachrichtigt, während Astoni noch in der
Bar war und sich von Tamarow und Korolenko verabschiedete.
»Das ist
Franz«, stellte er ihn dem Italiener vor, ohne weitere Erklärungen
hinzuzufügen. Astoni, verblüfft über diesen Neuankömmling, murmelte einen Gruß,
während Franz die Türen aufhielt, um sie in den BMW steigen zu lassen.
Im Auto
wechselten Ogden und Astoni nur wenige Worte. Zu dieser nächtlichen Stunde
unter der Woche waren kaum Menschen unterwegs.
Der matte
Schein einer Mondsichel erhellte die Nacht, im Licht der alten Straßenlaternen
wirkten die barocken Fassaden wie lauter Bühnenbilder. Sie alle überragte die
gigantische Kuppel der Mole Antonelliana, ein umgestürzter Kelch, dessen langer
Stiel die hohe, zum Himmel gestreckte Fiale war, an deren Spitze ein Stern aus
Metall versuchte, den Sternen ebenbürtig zu sein.
Nach kurzer
Zeit erreichten sie die Via Alfieri. Franz parkte gegenüber vom Hauseingang,
und Ogden sagte ihm, er solle warten, was bedeutete: die Straße und das Haus
überwachen und ihn im Falle verdächtiger Bewegungen warnen.
Der Agent
und der Professor fuhren hinauf zur Wohnung [84] und inspizierten gleich alle
Zimmer. Auch wenn die Haushälterin versucht hatte, ein bisschen Ordnung zu
schaffen, indem sie die im Arbeitszimmer verstreuten Papiere aufgesammelt und
neben dem Schreibtisch zu einem Stapel getürmt hatte, wirkte die Wohnung
schrecklich zugerichtet. Es war augenfällig, dass man sie von oben bis unten
durchwühlt hatte.
Im
Schlafzimmer bestätigte sich Ogdens Verdacht: Tatsächlich gab es keine Spur von
Wasser, alles war trocken, einschließlich des Teppichbodens, mit dem das Zimmer
ausgelegt war.
»Es gibt
keinen Wasserschaden, das war eine Lüge«, gab Astoni zu. »Lassen Sie uns ins
Arbeitszimmer gehen, vielleicht kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten.
Vorausgesetzt, die Einbrecher haben nicht auch in der Bar gewütet«, sagte er
und verließ das Schlafzimmer.
Ogden
folgte ihm ohne weiteren Kommentar. Im Arbeitszimmer ging Astoni zu einer
kleinen Hausbar. »Alles in Ordnung, offensichtlich waren es Abstinenzler. Ich
habe einen ausgezeichneten Armagnac, möchten Sie einen?«
»Gern,
danke.« Der Agent setzte sich in einen der beiden Sessel vor dem Schreibtisch.
Astoni reichte ihm das Glas und nahm dann in dem Sessel neben ihm Platz. Eine
Weile schwiegen beide, nippten nur an ihrem Likör. Schließlich stellte Ogden
sein Glas ab und schaute den Professor an.
»Warum
haben Sie gelogen?«
Der
Italiener zuckte mit den Schultern. Es war ihm äußerst peinlich, den Mann
anzulügen, von dem er annahm, dass Verena in ihn verliebt war. Doch die Angst
war stärker. Die Mafiosi – und um solche handelte es sich mit [85] Sicherheit – würden, da sie die Agenda nicht gefunden hatten, bestimmt zurückkehren.
»Ich wollte
mehr Zeit mit Verena verbringen, deshalb habe ich diese Geschichte erfunden«,
antwortete er wenig überzeugend.
Ogden
zündete sich eine Zigarette an. »Herr Professor, ich bin auf dem Laufenden, was
den Mord an Ihrem Freund Lowelly Grey angeht. Und heute Abend hat man
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