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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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zur Elite gehört, bedeutet nicht, dass die Dinge anders liegen, als
Stuart sie beschrieben hat.«
    »Nur allzu
wahr«, gab Alimante widerwillig zu. »Daher ist der Moment gekommen, Ordnung zu
schaffen. Auch wenn es nur Fotokopien der Agenda sind, finden sich auf diesen
Seiten doch Namen und höchst detaillierte Angaben, mit denen man viele Leute
festnageln und dieser Mafia den Kopf zurechtrücken kann.«
    »Heißt das,
Sie wollen einen politischen Wechsel provozieren?«
    »Natürlich.
Eine solche Situation ist nicht in unserem Sinne, weder in Italien noch anderswo.
Dieser massive Verfall der Glaubwürdigkeit kann, zusammen mit der verheerenden
Wirtschaftskrise, bei der Bevölkerung nur Empörung hervorrufen. Diese
politische Klasse ist jedoch so erpressbar, dass sie den Kurs selbst dann nicht
ändern könnte, wenn sie es wollte. Unsere Beobachter sagen Aufruhr und
Blutvergießen voraus, denn die Mittelschicht verarmt, die Bürgerrechte sind
ausgehöhlt, und dieser schleichende Faschismus stößt zum Schluss auch jene ab,
die stark nach rechts tendieren. Die Leute sind nicht so dumm, wie die
Politiker gern glauben. Wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen, werden sie
reagieren. Damit sich wirklich etwas verändert, muss die Unruhe richtig dosiert
werden.«
    [137]  Alimante
unterbrach sich und machte mit einem angewiderten Gesichtsausdruck eine Geste,
als wollte er ein lästiges Insekt verjagen. »Wir haben schon mal eine
politische Klasse davongejagt, und das werden wir wieder tun.«
    Ogden
räusperte sich. »Sicher, aber auch damals waren Sie nicht sehr vorausschauend,
denn Sie haben dabei zugesehen, wie die gemäßigte Mafia von diesen Corleonesen
zerschlagen wurde, nachdem sie schon Beziehungen mit den neuen Machthabern in
der Politik geknüpft hatten, die durch die Eliminierung der alten aufgestiegen
sind. Sie haben zugelassen, dass die Mafia terroristische Anschläge eingesetzt
hat, um vom Staat Zugeständnisse zu erreichen, und dass alle
Antimafia-Instrumente, erkämpft von so vielen mutigen Männern, die mit ihrem
Leben bezahlt haben, zurückgezogen, geschwächt oder sogar abgeschafft wurden.
Ein schwerer Einschätzungsfehler, sehe ich das richtig?«
    »Leider
ausgesprochen richtig. Aber ich würde kein Drama daraus machen. Was wir
geschaffen haben, können wir auch vernichten. Wenigstens haben die Sizilianer
nie Genozide begangen, im Gegensatz zu vielen anderen sogenannten
demokratischen Nationen.«
    Stuart riss
die Augen auf. »Sagen Sie mir nicht, dass Sie die Italiener verteidigen! Ich
kann es nicht glauben, Alimante, ist das ein patriotischer Schub?«
    Alimante
lachte, doch er war verärgert. »Reden Sie keinen Unsinn. Ich bin Italiener, wie
Sie Japaner sind. Leute wie wir stehen Gott sei Dank über den Nationen. Und was
mich angeht, habe ich mir immer die Worte von Samuel Johnson zu eigen gemacht:
›Patriotismus ist die letzte Zuflucht eines Schurken.‹ Doch wenn wir es
wirklich auf den [138]  Punkt bringen wollen: In keinem anderen Teil der Welt sind
so viele Richter, Polizisten und aufrechte Staatsmänner getötet worden wie in
Italien; praktisch jeder, der seine Pflicht tat. Wenn es also stimmt, dass
Italien das Land der Mafia ist, dann ist es auch das Land, das die meisten
Helden hervorgebracht hat, die sie bekämpfen. Die beiden Richter beispielsweise
haben zum ersten Mal schwarz auf weiß die Verflechtungen von Mafia, Politik und
Finanzwelt belegt, indem sie die Verwicklung von Ministern, Staatssekretären,
Abgeordneten, Bürgermeistern, Unternehmern und vielen anderen mehr aufgezeigt
haben, obwohl sie sich bewusst waren, dass man sie, wenn sie nicht aufgäben,
töten würde – was ja dann tatsächlich geschehen ist. Seither hat sich die Lage
nur noch verschlechtert: Weil nun allen klar ist, dass das Opfer dieser beiden
Untersuchungsrichter umsonst war, exponiert sich niemand mehr. Und warum sollte
das auch irgendjemand tun, wo doch der Staat niemanden beschützt? Aber einmal
abgesehen von all diesen Erwägungen: Es liegt nicht im Interesse der
europäischen Elite, dass dieses Durcheinander noch länger anhält. Bald finden
in Amerika Wahlen statt, die eine grundlegende Wachablösung herbeiführen
werden. Wir wissen mit Sicherheit, dass auch der amerikanischen Elite und damit
dem künftigen Bewohner des Weißen Hauses diese so ›folkloristische‹
italienische Regierung nicht gefällt. Bevor sie beschließen einzugreifen, was
zwischen den beiden Eliten zu weiteren Spannungen führen würde,

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