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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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Komplizenschaft
mit dem organisierten Verbrechen zog. Jetzt mussten sie allein zurechtkommen.
    Doch seine
Pläne für den Ruhestand waren von Attilio Branca durchkreuzt worden. Schon mit einem
Fuß im Grab, hatte dieser Bastard jeden, der es hören wollte, wissen lassen, [200]  dass
die Agenda des Richters tatsächlich in seinen Händen war, wie er es im
kleineren Kreis schon immer behauptet hatte. Eben wegen dieses Schreckgespensts
war es Branca nach der Niederlage der Palermitaner ja gelungen, nicht nur mit
dem Leben davonzukommen, sondern sich auch weiter zu bereichern. Vielleicht
hatten nur wenige geglaubt, dass er die Wahrheit sagte, aber niemand wollte
Risiken eingehen, denn mit Sicherheit hätte es nicht genügt, ihn zu töten, um
diese Bedrohung loszuwerden.
    Branca
hatte den Senator gezwungen zu handeln, denn es war klar, dass der Alte sich
rächen wollte, bevor er ins Jenseits abtrat. Er hatte sofort eine Aktion in die
Wege geleitet, um in den Besitz dieser verfluchten Agenda zu gelangen, doch in
London hatten die Slawen elend versagt. Die einzige Hoffnung war nun, von
diesem verdammten Professor zu erfahren, wo er sie versteckt hatte, und ihn
dann zu eliminieren. Falls dies nicht gelänge, würde aus ihm der ideale
Sündenbock.
    Er wusste
gut, dass ein Teil der öffentlichen Meinung und der Presse – jedenfalls die
Zeitungen, die sich noch nicht hatten mundtot machen lassen – ihn seit einer
Weile als den wahren Drahtzieher betrachteten. Ganz zu schweigen von diesen
verdammten Richtern, die ihn, zu Recht, für den Urheber der alles
durchdringenden mafiösen Verbindungen hielten, die sich im ganzen Land
verbreitet hatten.
    Er lächelte
in sich hinein, wie er es immer tat, wenn er an seine Geschicklichkeit dachte.
Mochte die Mafia einst naive sezessionistische Ziele gehabt und ein Sizilien
angestrebt haben, das von Italien unabhängig war, so hatten die Dinge sich seit
den neunziger Jahren doch sehr verändert. Die [201]  Mafia brauchte kein freies
Sizilien mehr, denn sie hatte ganz Italien in der Hand. Und all dies war sein
Verdienst.
    Nun jedoch
musste er wegen Attilio Branca erneut in die Schlacht ziehen, und diesmal
allein.
    Der Butler
trat näher, warf einen Blick auf den gedeckten Tisch und sorgte sich, als er
sah, dass sein Herr fast nichts angerührt hatte.
    »Möchten
Sie vielleicht etwas anderes?«
    »Nein
danke, es ist gut so.«
    »Der
Chauffeur ist da.«
    »Sag ihm,
dass ich sofort herunterkomme. Und lass meine Tasche nach unten bringen.«
    Als der
Butler die Terrasse verlassen hatte, ging der Senator zum Tisch, goss sich noch
eine Tasse Kaffee ein und trank sie in einem Schluck aus. Es gab nichts
Besseres als Kaffee, wenn er sich aufmuntern wollte. Das Telefon läutete, und
er fuhr zusammen, denn er hatte sich noch nicht an den Klingelton dieses
codierten GSMK gewöhnt, das nur so aussah wie ein
gewöhnliches GSM , jedoch in Wirklichkeit
Scrambler-Codes einsetzte, die in der Lage waren, die Stimme digital zu
verzerren, um ein Abhören zu verhindern. Das Ganze funktionierte nur, wenn – wie in diesem Fall – beide Gesprächspartner ein GSMK benutzten.
    Er hörte
die Stimme des Sizilianers laut und deutlich. »Reist Ihr ab?«
    »Ja, ich
bin um elf Uhr in Turin. In der Zwischenzeit sag den Slawen, sie sollen alle in
Ruhe lassen, abgesehen vom Professor, versteht sich. Andernfalls lasse ich sie
von irgendeinem picciotto zusammenstauchen. Du kannst
ihnen ganz genau erklären, dass die Sizilianer, wenn sie wollen, viel [202]  grausamer
sein können als sie. Hast du schon mit dem Professor gesprochen?«
    Sein
Gesprächspartner am anderen Ende blieb zunächst still. Dann räusperte er sich.
»Es gibt Probleme, ernste Probleme. Vielleicht haben wir jemandem auf die Füße
getreten.«
    »Was meinst
du damit?«, rief der Senator beunruhigt aus.
    »Ich will
nicht am Telefon darüber reden. Diesen Apparaten traue ich nicht. Ich komme
ebenfalls gegen Mittag in Turin an und bringe ein paar Männer mit.«
    »Aus
welchem Grund? Die Slawen sind doch schon da«, wandte der Senator mit schriller
Stimme ein.
    »Ich
erkläre es Euch in Turin. Gute Reise wünsche ich.«

[203]  28
    Alimante
betrachtete nachdenklich die rote Agenda auf seinem Schreibtisch. Die Begegnung
mit Attilio Branca und Matteo Trapani alias Lorenzo Malacrida war erhellend
gewesen. Auch wenn die Elite seit einer Weile wusste, was sich hinter den
dramatischen Ereignissen von damals, Anfang der neunziger Jahre, verbarg, hatte
die

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