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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Besuch. Daniel wußte, wann es soweit war, da Alma ihn jedesmal vorher wusch. Hallen setzte sich ein Stück vom Bett entfernt auf einen Stuhl und bat, mit Daniel allein gelassen zu werden. Dann faltete er seine Hände und sprach ein Gebet. Unterdessen versuchte Daniel immer mit halb geschlossenen Augen zu erspähen, ob er Hammer und Nägel in der Tasche hatte. Aber der Umstand, daß er krank war und zu Bett lag, schien ihn vor den Planken zu retten.

    Hallen betete für Daniels Genesung und dafür, daß er die Fähigkeit zu sprechen wiedererla ngen möge. Jedesmal stellte er Daniel dieselbe Frage, ob er die Geschichte hören wollte, wie Jesus auf dem Wasser gegangen war. Aber Daniel hielt die Augen geschlossen und lag regungslos da.

    Er dachte, daß er genug gehört hatte. Die Worte, nach denen er sich sehnte, konnten nur Be oder Kiko ihm geben.

    Die einzige Person, die er in diesen Monaten, die er im Bett verbrachte, wirklich hätte treffen wollen, kam nicht. Sanna. Einmal hörte er Alma mit Edvin flüstern, sie sollten das Mädchen vielleicht bitten zu kommen, da Daniel gezeigt hatte, daß er es mochte. Edvin zögerte jedoch. Doktor Madsen hatte gesagt, sie sei keine geeignete Gesellschaft für ihn. Sie könnte ihn aufregen, da sie nicht zurechnungsfähig war.

    Daniel schlief tagsüber und lag in den Nächten wach, wenn die Mägde hinter den Wandschirmen schnarchten. Mitunter stand er auf, vor allem, wenn Mondschein war, nahm sein Springseil und hüpfte lautlos auf dem Boden, bis er nicht mehr konnte.

    Eines Nachts hatte Alma plötzlich die Tür geöffnet. Sie hatte ihn hüpfen sehen, hatte aber nichts gesagt, nur die Tür wieder geschlossen. Und er hatte gewußt, daß sie es niemandem erzählen würde, nicht einmal Edvin.

    Es war schon Frühling geworden, als Daniel sich eines Tages aus dem Bett erhob und in den Stall umzog. Plötzlich ertrug er das Schnarchen der Mägde nicht mehr. Alma und Edvin standen vor dem Haus, als er in aller Frühe zur Tür herauskam und geradewegs in den Stall ging. Unter der Treppe, die zum Heuboden führte, machte er sich ein Bett zurecht und legte sich hinein. Nach einer Weile kam Alma. Die neugierigen Mägde jagte sie hinaus, und zum ersten Mal hörte Daniel, daß Alma sie anschrie.
    - Ihr braucht nicht so zu glotzen, als hättet ihr ihn noch nie gesehen, rief sie.
    Als die Mägde verschwunden waren, hockte sie sich neben Daniel hin. Der Rücken tat ihr weh, und ihre Knie waren steif.

    - Du kannst hier nicht liegenbleiben, sagte sie. Dann wirst du deinen Husten nie los.

    Daniel zog sich die Decke, die er mitgenommen hatte, über den Kopf. Er hatte keine Lust zu antworten. Er hörte, wie Edvin hereinkam.

    - Wieso will er hier liegen? sagte Edvin. Und wie soll man irgendwas wissen, wenn er nicht antwortet? Wenn man überhaupt nicht begreift, was er denkt? Aber er ist nicht allein. Es ist, als wäre er von Menschen umgeben, die ich nicht sehen kann.

    - Hier ist niemand anderes als ich und du. Das bildest du dir nur ein.

    - Aber merkst du es denn nicht? Es ist wie ein Nebel um ihn.
    - Er sehnt sich zu Tode, sagte Alma. Bengler muß ihn in die Wüste zurückbringen.

    - Der Mann kommt nie mehr zurück, sagte Edvin. Wir können nicht einmal sicher sein, daß er noch lebt.

    Mit einem Ruck streifte Daniel die Decke vom Kopf.
    - Hören tut er jedenfalls noch, sagte Edvin. Bitte mich bloß nicht, ihn hineinzutragen. Dann schlägt er mir wieder die Zähne in die Kehle.
    - Der Knecht soll wieder ins Haus ziehen. Dann kann der Junge sein Zimmer übernehmen.
    - Wenn er sich hier hingelegt hat, dann deshalb, weil er hier
    sein will.
    Daniel drehte den Kopf und sah Edvin direkt in die Augen.
    - Es ist, als wü rde man einen alten Mann ansehen, sagte Edvin. Und doch ist er erst neun, zehn Jahre alt.
    - Er sehnt sich zu Tode.

    - Aber wonach sehnt er sich? Nach Eltern, die tot sind? Nach Sand, der unter seinen Füßen brennt?
    - Er sehnt sich nach Hause. Was immer das sein mag, das ist es, wonach er sich sehnt.

    Der Knecht zog wieder in die Küche. Aber sein Zimmer blieb leer. Daniel schlief weiterhin unter der Treppe zum Heuboden. Alma brachte ihm das Essen, und sie schrie die Mägde an, wenn diese zu aufdringlich wurden.
    Daniel schlief tagsüber. In den Nächten, wenn er mit den Tieren allein war, stand er auf, um zwischen den Verschlägen seilzuhüpfen. Edvin hatte zwei Laternen im Stall aufgehängt, die er jeden Abend selber anzündete. Manchmal, wenn es regnete, ging Daniel hinaus

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