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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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„Hat er mir nichts zu sagen?“
    Joan lächelt verschmitzt.
„Doch. Du sollst dich mal wieder waschen.“
    Empört stemmt Bess die Arme in
die Seiten.
    „Er hält sich heute im großen
Zuber der Badestube bereit“, ergänzt Joan grinsend, worauf ihr Bess schmunzelnd
mit dem Finger droht. Joan verlässt die Küche. Insgeheim beneidet sie Bess und
Tom um ihre offen zur Schau getragene Liebe. Sie müssen diese vor niemandem
geheim halten. Es muss schön sein, auch noch im Alter so füreinander zu
empfinden.
    Joan betritt den Waffenturm.
Niemand ist auf Wache, was hin und wieder vorkommt, wenn der betreffende
Waffenknecht auf dem Abtritt ist. Verstohlen um sich blickend nähert sie sich
der Seitentür zur Waffenkammer und öffnet diese zaghaft. Die Kammer ist äußerst
unaufgeräumt. Auf großen Öl- und Pechfässern ruhen schwere Äxte und Keulen.
Schwerter liegen in ihren Scheiden auf dem Boden verstreut umher. Spieße lehnen
an den Wänden, an einigen klebt noch Blut. In einer Ecke häufen sich
angerostete Kettenhemden und einfache Helme mit Nasenspangen. Es muss sich um
Kriegsbeute handeln. Denn niemand ließe sein kostbares Kettenhemd derart
herunterkommen. Überdies würde es bei häufigerem Tragen erst gar keinen Rost
ansetzen, da dieser durch die gegeneinander reibenden Ringe ganz von selbst
weggescheuert wird. ... Obenauf liegt eine über und über mit angetrocknetem
Schlamm verkrustete Rüstung. Joan reißt die Augen auf, als sie diese erkennt.
Es ist Malcoms. Ihnen ist offensichtlich entgangen, wie kostbar sie ist. Noch
einmal steckt Joan den Kopf zur Tür heraus, doch alles ist ruhig. So zieht sie
die Tür hinter sich zu und nimmt Malcoms Rüstung in die Hände. Unter ihr liegt
sein Schwert! Joan versucht, dieses unter ihrer Tunika zu verbergen, doch es
ist zu lang. Daher fördert sie es weiter nach unten in einen ihrer Beinlinge
und schiebt die Parierstange unter ihren Gürtel, so dass dieser die Hauptlast
der Waffe hält. So müsste es gelingen. Sie kann damit einigermaßen unauffällig
gehen, wenn sie kurze Schritte macht. Als sie an der Tür lauscht, ist kein
Geräusch zu vernehmen. Unverzüglich verlässt sie Waffenkammer und Wachstube und
nimmt vorsichtig die Stufen zum Kerker hinab.
    Tom öffnet ihr das Verlies. Er
schöpft keinen Verdacht, da ihm Joan die Seite mit dem verborgenen Schwert
wohlweislich abgewandt hat. Als er arglos hinter ihr abschließt, atmet sie mehr
als erleichtert auf. Während sie zu einer Seite des Raumes geht, zieht sie die
Waffe aus ihrer Kleidung hervor. An der Wand angekommen tastet sie im Stroh
umher.
    „Joan?“
    „Hm?“
    „Was zum Teufel machst du da?“
    „Was wohl.“
    „Hättest du es nicht oben
erledigen können? Wir ersticken bald darin!“
    „Und wenn mich jemand
erwischt?“ Hastig versteckt sie die Waffe unter dem Stroh an der Wand.
    Malcom brummt Unverständliches
in sich hinein und gibt klein bei. Es wird höchste Zeit, dass sie endlich hier
herauskommen. Er hat bereits seit annähernd zwei Monaten kein Tageslicht mehr
gesehen und in letzter Zeit schlägt ihm alles aufs Gemüt. Obendrein werden sie
von Flöhen und Läusen geplagt. Tom gönnt ihnen zwar von Zeit zu Zeit einen
frischen Eimer Wasser, doch das ist bei Weitem nicht wirksam genug.
    Joan setzt sich tastend neben
Malcom ins Stroh und holt die Kirschen hervor. Versöhnlich drückt sie ihm das
Leinensäckchen in die Hände. Sie beginnen, genüsslich daraus zu essen, wobei sie
sich zurückhält. Laute Stimmen, die von markerschütternden Schreien übertönt
werden, dringen plötzlich von draußen herein. Joan betet, dass es nicht mit
Malcoms gestohlenem Schwert zusammenhängt. Malcom indes lehnt sich im
raschelnden Stroh zurück und spuckt einen weiteren Kern aus. Er scheint nicht
weiter beunruhigt, wobei ihr einfällt, dass er ja deren Worte versteht.
    „Was sagen sie?“
    „Hm? ... Ach, irgend so ein
armer Teufel, den sie gerade in die Folterkammer schleppen.“
    Joan schluckt betroffen. Zum ersten
Male ist sie froh darüber, nicht alles von der Mundart zu verstehen. Dann wird
es wieder still, wie die überwiegende Zeit.
    Sie legt sich zurück ins Stroh.
„Wieso verstehst du sie eigentlich?“
    Malcom spuckt. „Man spricht nun
mal in Nordengland und Südschottland so. ... Sind Worte aus allen möglichen
Sprachen. ... Von Völkern, die das Gebiet einst besetzten und sich mit den
ansässigen Menschen mischten. Northumberland gehörte schließlich mal zu
Schottland.“
    „Soll das heißen,

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