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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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dass du
schottische Wurzeln hast“, fragt sie erstaunt und vernimmt, wie er lacht.
    „Ja. In der Tat. Das erkennst
du doch schon an der schottischen Distel in meinem Wappen. Meine französischen
Vorfahren kamen einst wie deine mit William dem Eroberer aus der Normandie
herüber, nahmen England in Besitz und verdrängten den alten angelsächsischen
Adel. Doch Chardon, mein Urahn, hatte sich durch Tapferkeit und was sonst noch
ausgezeichnet und hier im Norden Ländereien von William erhalten. Und er war so
schlau, eine schottische Adlige zur Frau zu nehmen. So knüpfte er starke
Verbindungen zum alten Adel Schottlands.“
    Joan ist überrascht. „Chardon“,
spricht sie in Gedanken, worauf Malcom zustimmend brummt.
    „Er hatte scheinbar eine
Vorliebe für Disteln“, bemerkt er, bevor er wieder einen Kern wegspuckt.
„Angeblich trug er immer eine als Helmzier beim Turnier, was ihm diesen Namen
einbrachte.“
    Joan grübelt. „Ist schon
eigentümlich. In deinen Adern fließt normannisches und schottisches Blut. Du
kämpfst für einen englischen König, dessen Hofsprache noch immer französisch
ist und tötest für ihn Schotten.“
    „Und Franzosen unter seinem
Vater, im Kampf um die Gascogne und Flandern.“
    Joan schwirrt der Kopf. „Das
ist doch alles Irrsinn!“
    Malcom legt ihr das Säckchen
mit den letzten Kirschen in die Hände. „Wenn es um Macht geht, ist ihnen jedes
Mittel recht. Selbst, wenn es bedeutet, die eigenen Leute zu töten. Sogar in
Robert the Bruces Adern fließt noch normannisches Blut.“ Er spuckt seinen
letzten Kirschkern weg. „Ich habe als Knappe deines Vaters selbst erlebt, wie
The Bruce bei Falkirk auf englischer Seite gegen seine schottischen Landsleute
focht. Sozusagen verhalf er Edward the Longshanks erst dazu, Stirling Castle zu
erobern. Er wechselte die Seiten wie die Hure ihre Liebhaber, wenn es ihm
dadurch zu einem Vorteil gereichte.“
    Joan schnappt fassungslos nach
Luft.
    „Es ist noch nicht lange her,
etwa sieben Jahre, da entschied er sich endgültig für die schottische Seite,
als er sich dadurch den Thron erhoffen konnte.“
    Joan
verschluckt sich überrascht, worauf sie ein Hustenanfall quält, der ihr die
Tränen in die Augen treibt. Vor Schreck hatte sie den letzten Kirschkern in die
falsche Kehle bekommen.
    Joan
erwacht von einem starken Ziehen in ihrem Unterleib. Es ist ungleich stärker,
als zu ihren monatlichen Blutungen, welche überdies wie bei vielen Frauen stets
zu Vollmond erfolgen. Davon trennen sie jedoch noch viele Tage, nach der
blassen Mondsichel zu urteilen, welche heute tagsüber am Himmel zu erkennen
war. Bestürzt wird ihr daraufhin bewusst, dass sie bereits seit mehreren
Vollmonden nicht mehr blutete. Behutsam löst sie sich aus Malcoms Umarmung und
greift nach unten zwischen ihre Beine unter der Bruech. Sie zieht eine feuchte
Hand zurück, reibt darüber und riecht an ihr. Klebriges Blut. Nun hat sie traurige
Gewissheit, in Kürze Malcoms Kind zu verlieren. Sie stopft sich Stroh in die
Bruech und bleibt vorerst noch eine Weile bedrückt neben ihm liegen. Ihr drängt
sich der bittere Gedanke auf, dass es vermutlich in Malcoms Sinne ist. Denn
schließlich liegt es ihm fern, nochmals eine Familie zu gründen. Als die
Schmerzwellen heftiger werden, kriecht sie von ihm weg an die Wand und streift
sich Beinlinge sowie die feuchte Bruech ab. Dann kommt die nächste Wehe. Sie
ist schmerzhaft und Joan hockt sich leise stöhnend hin. Sie spürt, wie warmes
Blut aus ihr heraus ins Stroh rinnt und presst. Schnell jedoch ist der Schmerz
wieder verschwunden. Geduldig wartet sie auf die nächste Wehe.
    Die neunte Wehe rollt heran.
Sie ist hässlicher als alle zuvor und Joan presst stöhnend. Malcom raschelt im
Stroh. „Joan?“
    Sie antwortet nicht, entspannt
sich stattdessen wieder.
    „Was ist mit dir?“ Er klingt
beunruhigt.
    „Nicht jetzt, Malcom. ... Die
Zehnte“, presst sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, hält den Atem an
und drückt stöhnend. Sie ist noch grässlicher und treibt ihr den Schweiß auf
die Stirn.
    „Was“, fragt er verwirrt, wobei
er versucht, zu ihr zu gelangen. Er wird jedoch klirrend von der Kette an
seinem Fuß daran gehindert, befindet sich kurz vor ihr. „Joan! Verdammt, was
fehlt dir?“
    Ein Schwall Blut klatscht unter
Joan ins Stroh und sie weiß, dass es nun vorbei ist. Zögerlich tastet sie nach
unten in die warme Nässe des Strohs. Sie berührt etwas Handteller Großes, das
noch an einer Schnur an ihr

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