Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
im Zusammenspiel mit
der verschmitzten Art, auf welche er sie dabei anblickt, Lügen straft.
    „Joan!“ Malcoms tragende Stimme
reißt sie aus ihrem unbeschwerten Gespräch. Eilig erhebt sie sich, um an seine
Seite zu kommen.
    „Viel Vergnügen“, wünscht Amál
schadenfroh stichelnd, was sie entnervt durchatmen lässt.
    Die Halle gleicht einem
Schlachtfeld. Joan bahnt sich um umgestürzte Holzplatten der Tafel,
zertrümmerte Bänke und etliche Leichen herum einen Weg, der über blutrote
Lachen im Stroh führt. Sie gewahrt Malcom auffällig bleich. John an seiner
Seite schaut starr zu Boden. Joan weiß, warum. Erhobenen Hauptes hält sie
Malcoms durchdringendem Blick stand. Daraufhin steckt dieser fahrig sein
Schwert in die Scheide.
    „Zu deinem Ungehorsam später unter
vier Augen“, meint er mit scheinbarer Gelassenheit. Das gefährliche Flackern in
seinen Augen verrät ihr jedoch seinen Zorn. „Ich habe soeben euer kleines
Geheimnis gelüftet“, bemerkt er schneidend. Sein blutbesudeltes Äußeres
unterstreicht seine üble Stimmung. „Kannst du bestätigen, dass Johns Sohn,
dessen Existenz mir bislang hartnäckig verschwiegen wurde, von Percy gefangen
gehalten wurde?“
    Er hatte John mit einem
vernichtenden Seitenblick bedacht und erweckt nicht den Eindruck, als wüsste er
ihre Antwort nicht bereits. Sie nickt. „Er ähnelte ihm stark, so dass ich
annehme, dass es sein Sohn war. Und John ahnte, dass er sich im Zelt befand.“
    John fällt plötzlich vor Malcom
reumütig auf die Knie. „Vergib mir, Malcom“, fleht er kleinlaut und blickt ihn beschämt
an. „Verflucht noch mal! Gott ist mein Zeuge, ich bin dir treu ergeben!“
    Malcom stößt empört die Luft
aus. „Du hast wahrlich eine eigentümliche Auffassung von Treue“, erwidert er
zerknirscht. „Du hättest uns in diesem verdammten Kerker verrecken lassen!“
    Joan weicht verlegen ein paar
Schritte zurück, um sich diskret zu entfernen. Das hier muss John ganz allein
ausbaden. Sie will Malcom nicht noch einmal verärgern, indem sie nun für seinen
abtrünnigen Ritter Partei ergreift. Denn sie ist nahe daran, dies zu tun. Kann
sie ihm sein Verhalten doch gut nachempfinden.
    „Bleib, verdammt“, herrscht
Malcom sie an, woraufhin etwas in ihr rebellisch aufbegehrt.
    „Malcom, du bist unausstehlich
und ungerecht“, wirft sie ihm mit gesenkter Stimme vor, hat es beinahe
geflüstert. Doch Malcom verstand sie sehr gut und wird nur noch wütender. John
betrachtet sie bestürzt. Doch es kann sie nicht davon abhalten, noch
nachzutreten.
    „Du strafst die Menschen,
welche dir treu ergeben sind und dich lieben“, erklärt sie ihm nun unverblümt
eine Spur lauter. „Nur weiter so, und du stehst bald allein da“, prophezeit sie
seinem Rücken, den er ihr inzwischen zugewandt hat.
    „Joan“, raunt John eindringlich
mit schüttelndem Kopf und legt einen Finger an den Mund.
    „Ich sage, was ich denke. Ganz
gleich, ob es euch in den Kram passt, oder nicht. Und nun entschuldigt mich.“
Sie wendet sich aufgebracht ab, um sich zu entfernen.
    „Warte“, hört sie Malcom mit
mühsamer Selbstbeherrschung sagen. Er steht noch immer mit dem Rücken zu ihr,
hat die Hände in die Seiten gestützt und ringt scheinbar um seine Fassung. Sie
hört ihn tief durchatmen. Dann dreht er sich bedächtig zu ihr herum, richtet
den unergründlichen Blick auf sie, dass sie unsicher an den Knöpfen am
Ausschnitt ihres grünen Surkot zu zupfen beginnt.
    Er räuspert sich vernehmlich.
„Bitte sieh nach Blanche, um ihr Beistand zu leisten. Sie wurde geschändet und
niemand kann ihre Kinder unter den verstümmelten Leichen finden.“
    Joan jappst entsetzt nach Luft.
„Wo ist sie?“
    „Auf dem hölzernen Wehrgang.
Eile dich.“
    Das muss er ihr nicht zweimal
sagen. Ihre Schritte werden zusehends schneller, je mehr sie ihrer Phantasie
freien Lauf lässt. Ihre Füße finden den Weg wie von selbst, stürzen mit ihr aus
der Halle hinaus und dann im Treppenturm zum dritten Stock hinauf. Achtlos
lässt sie die niedrigen Türen rechts und links des Ganges hinter sich, nimmt
das halbe Dutzend flacher Stufen zum Wehrgang hinab mit einem einzigen Satz und
reißt die eisenbeschlagene schwere Eichentür zurück. Als sie Blanche nirgends
entdecken kann, lugt sie nervös über die Brustwehr nach unten in den Hof. Der
Schnee dort hat sich blutrot gefärbt, nur noch wenige weiße Inseln sind übrig
geblieben. Es herrscht eine unheimliche Stille, die ab und an von

Weitere Kostenlose Bücher