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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Talent im Umgang mit Waffen entdeckt,
ließ ihr gar ein kleines Kurzschwert schmieden und erteilte ihr Unterricht im
Schwertkampf. Üblich war dies freilich nicht. Auch wenn Frauen gelegentlich an
Jagden teilnahmen, meist, um ihren Falken einen Hasen oder eine Taube schlagen
zu lassen, andere Mädchen ihres Alters fanden ihre Hauptbeschäftigung im
Sticken und Spinnen. Sie hatte niemals Muße dazu gefunden, sich immer dagegen
gewehrt und glücklicherweise einen toleranten Vater, der sich ohne Bedenken
über Konventionen hinwegsetzte. Er fand es nicht unziemlich. Es machte ihm
Freude, dass sie so schnell begriff und er war stolz auf ihre Begabung. Oft
erzählte er ihr von Frauen in Rüstung auf großen Schlachtrossen, die er einst
als Knappe mit eigenen Augen auf dem letzten Kreuzzug gegen die Heiden gesehen
hatte. ...
    Joan seufzt erneut. Es waren
glückliche, friedvolle Jahre gewesen. Seit dem Tode ihres Vaters erhielt sie
keine Nachricht mehr von ihren Geschwistern. Weder weiß sie, wo sie nach ihnen
suchen soll, noch, wie sie sie erreichen könnte. Sie besitzt nicht einmal mehr
Münzen für einen Boten oder Krämer, dem sie ein Schreiben mitgeben könnte.
Geschweige denn für eine Reise. Andere Verwandte hat sie nicht mehr. Ihr fällt
ein, dass sie nun ohnehin nicht mehr ohne die Erlaubnis ihres neuen Herrn frei
umherreisen könnte. Sie würde dafür eine schriftliche Erlaubnis des Earls
benötigen, welche sie immer mit sich führen müsste und die sie obendrein als zu
seinem Lehen gehörig auswiese. Andernfalls würde man annehmen, sie sei ihrem
Herrn entlaufen. Denn der Earl ist nun ihr Herr. Sie selbst hat ihn als diesen
anerkennen müssen, ihren Status als Freie aufgegeben, um Jacob als Halbfreien
ehelichen zu können. Verächtlich bläst sie bei diesem Gedanken die Luft aus und
lässt den Blick gedankenversunken umherschweifen.
    Sie erkennt den Raum kaum
wieder. Das einzige, was die Umgestaltung überlebt hat, ist die alte,
buntbemalte Truhe unter dem Fenster. Und natürlich der Kamin. Gleich neben der
Tür steht ein hoher, mit Schnitzwerk verzierter Kasten. An einer Wand befindet
sich in einer Nische das große Bett ihrer Eltern. Auf dessen Eckpfosten sitzt
ein Baldachin. Die wollenen Vorhänge sind aufgezogen und lassen den Blick frei
auf die mit einem Laken bezogene Matratze. Obenauf liegen eine große Wolldecke
und ein walzenförmiges, federgefülltes Kopfkissen mit leinenem Bezug. An der
gegenüberliegenden Wand steht ein dreibeiniger Rundpfostenstuhl. Neben ihm ist
ein großer wassergefüllter Tonkrug auf einem Holzschemel abgestellt worden.
    Laut ausatmend geht Joan zum
Bett hinüber und lässt sich auf diesem nieder. Todmüde hängt sie sich die Decke
um. Genussvoll atmet sie den aromatischen Duft der Kerze in ihrer Hand ein,
deren Flamme sie schließlich zwischen Daumen und Zeigefinger löscht, bevor sie
sie auf den Boden legt. Dann streckt sie sich auf dem Bett aus. Plötzlich hört
sie, wie die Tür geöffnet und sogleich wieder eilig geschlossen wird.
Erschaudernd richtet sie sich hoch und sieht in das verdutzte Gesicht einer
Magd. Diese ist nur spärlich bekleidet und hält einen rußend brennenden
Kienspan in der Hand. Der Blick der jungen, hübschen Frau gleitet über Joans
Hochzeitskleid. Daraufhin betrachtet sie Joan ärgerlich, macht wortlos kehrt
und huscht wieder durch die Tür nach draußen.
    Mit einem erleichterten
Aufatmen lässt sich Joan wieder hintenüber aufs Bett fallen. Dass sich diese
Frau aus freiem Willen mit ihm einzulassen gedachte, entlockt ihr ein
verständnisloses Kopfschütteln. Doch hätte sie ihr nur allzu bereitwillig die
Stelle in seinem Bett überlassen, wenn es möglich gewesen wäre. Nur ist es
leider nicht möglich. Er will SIE! ...
    Wenig später ist sie
zusammengekauert eingeschlafen.
    Sie erwacht von einem Geräusch
und schlägt die Augen auf. Der Earl steht neben ihr am Bett und betrachtet sie
nachdenklich im Schein einer Kerze. Sie fährt erschrocken hoch, was er mit
einem geheimnisvollen Lächeln bedenkt. Gemächlich wendet er sich von ihr ab, um
zum Schemel hinüber zu gehen. Diesen zieht er ans Bett heran und befestigt auf
ihm in Ermangelung eines Leuchters die Kerze behände mit einigen heißen
Wachstropfen. Schweigend verfolgt Joan seine sparsamen Handgriffe. In seinen
Bewegungen liegt eine gewisse selbstsichere Gelassenheit, die vermuten lässt,
dass er genau weiß, was er tun muss, um schnell ans Ziel zu kommen. Und
offensichtlich weiß er mindestens

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