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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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galoppierende
Pferde, achtet ihrer jedoch nicht und blickt stattdessen zum Burghof hinüber.
Niemand ist dort zu erkennen, alles scheint verlassen. Selbst das Brückentor
ist unbesetzt, das Felsentor hingegen nicht einzusehen. Immerhin stehen die
Flügel seiner schweren eichenen Pforte offen. Ebenso die Tür zum Wohnturm. Am
Fuße der Ringmauer liegen vereinzelte Leichen umher, doch nimmer die aller
wehrfähigen Männer.
    Ein Berittener schließt zu ihr
auf, worauf sie Malcoms Fluchen vernimmt.
    „Herrgott noch mal! Hier
streunt noch das Gesindel Percys umher!“
    Sie blickt ihn an. „Wir müssen
versuchen, hinein zu gelangen. Sie sind sich ihrer Sache ziemlich sicher, haben
keine Wachen aufgestellt. Bis auf die Brücke scheinen alle Tore offen.“
    Er verschafft sich selbst einen
Überblick. Desgleichen Amál, John und Jeremy, die sie soeben erreicht haben.
Die Sonne in ihrem Rücken versinkt gerade hinterm Horizont. Doch niemand
erscheint im Hof, um einen weiteren Säugling zu töten.
    Malcom stößt hörbar die Luft
aus. „Wir wagen es. Einer klettert über die Brücke und lässt sie herunter. Wir
nutzen die Dunkelheit und versuchen, so schnell wie möglich in den Wohnturm zu
gelangen. Sie scheinen sturzbesoffen. Wir müssen sie überraschen, bevor sie
weiteres Unheil anrichten können.“
    „Ich klettere hinüber“, erklärt
Joan kurz entschlossen.
    Malcom lacht rau auf, um sie
dann eindringlich zu betrachten. „Du wirst nichts dergleichen tun. Du bleibst
mit Blanche vor der Brücke, bis alles sicher ist.“
    „Malcom!
Hier ist nichts und Niemand sicher. ... Und ich möchte die Rettung unseres
Kindes nicht in fremde Hände geben. ... Oder dir allein überlassen“, fügt sie
schnell hinzu, als sie seine grimmige Miene bemerkt. „Wenn es schief geht
könnte ich mich für den Rest meines Lebens fragen, was geschehen wäre, wenn ICH
versucht hätte, ihn ...“ Sie bricht ab, da er schon wortlos gewendet hat und
sein Pferd antreibt.
    „Also los,
rauf mit dir, Amál“, raunt Malcom und stemmt zusammen mit Rupert und Jeremy den
schlanken Baumstamm schräg gegen die nach außen vorkragende Wehrmauer. Amál
steigt behände auf Ruperts angewinkelten Oberschenkel, dann auf dessen
Schultern und nimmt den Stamm zwischen Hände und Beine. Er klettert an ihm
hinauf, dass er sich nur so durchbiegt, erreicht mit scheinbarer Leichtigkeit
die Oberkante der Zugbrücke und dann den Vorsprung der Wehrmauer, wo der Stamm
noch unterhalb der Zinnenfenster endet. Dort entschlüpft er der über seinen
Kopf gezogenen ledernen Schlinge aus zusammengeknoteten Zügeln, an deren einem
Ende ein Stock angeknüpft wurde. Diesen wirft er in das über ihm befindliche
Zinnenfenster, zieht die Schlinge straff, so dass sich der Knüppel zwischen den
beiden angrenzenden Zinnen verkeilt, und stellt vorsichtig einen Fuß in die
Schlinge. Geschickt klettert er daraufhin an dieser nach oben, zieht sich über
den Rand der Zinnenlücke und purzelt unter den freudigen, gedämpften Rufen der
Männer auf den Wehrgang. Somit entzieht er sich ihren Blicken. Als sie wenig
später das Rasseln der Ketten vernehmen, welches das Hochziehen des Fallgitters
und daraufhin das Herablassen der Brücke verkündet, eilen sie aus dem Graben
heraus. Kurz darauf setzt die Zugbrücke zu ihrer leisen Freude vor ihren Füßen
auf. Joan zieht das Schwert und schleicht wie vereinbart als Letzte über die
Brücke. Einen kurzen Blick wirft sie noch auf Blanche und ihren inzwischen
befreiten Vater zurück, bevor sie sich durchatmend wieder nach vorn richtet.
Sie eilen den steinigen Weg zum Felsentor empor, wobei sie über einige der
Leichen steigen. Der tote Säugling ist durch den Aufprall unkenntlich
entstellt. Doch trägt er zu ihrer unendlichen Erleichterung grobe, ärmliche
Kleider. Widerstandslos passieren sie das unbesetzte Felsentor und schleichen
im letzten Licht der Abenddämmerung über den Hof zum Wohnturm hinüber. Sie sind
lediglich mit ihren Armbrüsten, Lanzen und Bögen von der Jagd sowie ihren
Dolchen bewaffnet. Malcom gibt Angus ein Zeichen, dass er die Nebengelasse durchkämmen
soll, woraufhin dieser ausschert.
    Sie erreichen die Vorhalle zum
Treppenturm, wenden sich jedoch vorerst zur Waffenkammer. Joan bezieht davor
Stellung und beobachtet den Ausgang von Küche und Vorratsräumen, während sich
die Männer hastig mit Nahkampfwaffen ausstatten. Kurz darauf nehmen sie den
Treppenturm zur Großen Halle. Malcom weist Raban und Kenneth mit Handzeichen
an, in

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