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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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fühlt sich unwohl in ihrer
Haut.
    Er schnieft plötzlich
belustigt. „Wenn Robert dieses Temperament geerbt hat, wird er uns noch ganz
schön zu schaffen machen. ... Und Amál“, bemerkt er noch zu ihrer Verwirrung,
setzt sich aufs Bett und fährt in seine Stiefel.
    „Wie meinst du das?“
    Er stellt beide Füße auf die
Dielen und blickt sie an. „Wüsstest du jemand Besseren als Roberts
Dienstherren? Damit kann Amál seine Schuld wieder gut machen.“
    Joan starrt ihn entsetzt an.
Sie öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, doch ihre Muttergefühle schnüren ihr
die Luft ab, so dass sie nach Atem ringt.
    Malcom erhebt sich vom Bett und
kommt mit einfühlsamer Miene vor sie.
    „Du machst mir Angst. ... Er
ist doch noch so klein“, flüstert sie unglücklich.
    Malcom nickt. „Es sind ja noch
Sieben Jahre bis dahin. Mit der Zeit wirst du dich schon an den Gedanken
gewöhnen.“ Er streicht ihr lächelnd über die Wange und blickt ihr ins
zweifelnde Gesicht. „Jetzt komm. Ich könnte vor Hunger töten.“
    Sie verlassen ihr Gemach und
stoßen im Treppenturm auf Kenneth. Er hält eine Hand über seine
blutverschmierte Nase, ein Auge ist grünblau unterlaufen. Als er beide vor sich
gewahrt, hebt er nur wortlos grüssend die Hand und geht an ihnen vorüber aus
dem Turm heraus. Er zieht eine entsetzliche Fahne hinter sich her, ein Gemisch
aus Ale, Schweiß und Erbrochenem.
    Joan schickt ihm provozierend
einen gedehnten Pfiff hinterher, den er nur mit einem rauen Lachen erwidert,
ohne sich umzuwenden. „Verdammtes Bauerngesindel“, hört sie ihn noch näseln,
bevor seine Tür zuschlägt.
    Der Quertisch in der Halle ist
nur spärlich besetzt. Bis auf Gerold, Raban, Ian und zu ihrer größten
Verwunderung Jeremy glänzen Malcoms Ritter und einige ihrer Knappen durch deren
Abwesenheit. Ebenso etliche Waffenknechte an den Längstischen sowie der
Schmied.
    Sie lassen sich neben Raymond
nieder. Joan steckt sich zwei Kirschen in den Mund und greift zu einer Scheibe
weißen Brotes und einem Stück Hartkäse. Ein Blick auf ihren Vater verrät, dass
er dem Wein in letzter Nacht äußerst zugetan war.
    „Wo ist Blanche“, fragt sie
ihn, worauf er stöhnend die Hände gegen die Schläfen presst.
    „Im Waschhaus“, kommt seine
knappe Antwort.
    Sie runzelt die Stirn. „Was tut
sie dort?“
    Aufseufzend blickt er sie mit
geröteten Augen an. „Sie hat hier ein ziemliches Spektakel veranstaltet. ...
Völlig übertrieben, wenn du mich fragst. Scheuchte die Männer in die Zuber.“
    Joan kann sich ein Grinsen
nicht verkneifen, was sie mit einem herzhaften Biss in ihr Brot zu verbergen
sucht. „Kenneth ist ihr entwischt“, bemerkt sie nuschelnd und erntet
verständnislose Blicke von ihrem Vater. Sie gießt sich Molke in einen Becher
und streicht Heda über den Kopf, der erwartungsvoll unter der Tafel neben ihren
Beinen hervorlugt. Dieser wechselt jedoch flugs zu Malcoms Schoß, auf den er
sich mit anhimmelndem Blick ablegt, da sich ihr Herr den Bauch mit kalten
Bratenresten vollstopft. Er wirft ihr etliche Schweinerippen zu, die sie
geschwind geräuschvoll zerbeißt und herunterschlingt. Als ein schwarzer Rüde
schnüffelnd herankommt, vertreibt sie ihn mit bösem Geknurre.
    Blanche drängt Raymond ein
wenig beiseite und lässt sich hörbar aufatmend neben Joan nieder. „Diese
halsstarrigen Saufbrüder“, meint sie entnervt, wobei sie nach dem Molkekrug
angelt.
    „Wie hast du sie dazu gebracht,
in die Zuber zu steigen“, fragt Joan grinsend.
    „Oh, du glaubst nicht, welchen
Respekt sie im Adamsgewand dem Ochsenziemer erweisen.“
    Joan lacht auf, um sie dann auf
ihre unbewegte Miene hin ungläubig anzusehen. Blanche jedoch nippt mit
ernsthaftem Nicken an ihrem Becher. „Anders bekommt man sie nicht in den
Griff.“ Sie stellt den Becher ab. Mit geübten Griffen nimmt sie einen großen
Schlüsselbund vom Gürtel ab, den sie mit bedeutungsvollem Lächeln scheppernd
vor Joan auf die Tafel legt. „Das war meine letzte Tat. Das nächste Mal hast DU
das Vergnügen. Möglicherweise kennst du bessere Mittel, ihnen beizukommen.“
    Joan betrachtet die langen
Schlüssel, welche von einem eisernen Ring zusammengehalten werden, und nimmt
sie in die Hand. Sie sind schwer. Bedächtig drückt sie die Enden der
ringförmigen Eisenspange zusammen, so dass der kleine Haken aus der Öse tritt
und legt sich die Schlüssel um ihren Gürtel über dem Kleid. Jede weitere ihrer
Bewegungen wird von einem nicht eben leisen Klirren begleitet.

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