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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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„Hat dich dieses
Geschepper nie gestört? Es ist doch kaum anders als bei einer Ziege, die ein
Glöckchen um den Hals trägt!“
    Blanche kichert vergnügt. „Man
gewöhnt sich daran. Und das Gesinde ebenfalls. So hören sie einen schon von
weitem und gehen geschäftig ihrem Tagewerk nach.“
    Joan runzelt die Stirn. „Wäre
es nicht besser, man würde sie überraschen? Dann könnten sie keine
Geschäftigkeit vortäuschen, sondern müssen stets damit rechnen, dass ich
unvorhergesehen neben ihnen stehe.“
    Blanche wiegt den Kopf. „Du
wirst noch sehen, wie einfallsreich sie sein können, wenn es darum geht, sich
um Arbeiten zu drücken.“
    Joan nickt nachdenklich. Dann
nimmt sie kurzerhand die Schlüssel wieder ab und verstaut sie in ihrem kleinen
Lederbeutel am Gürtel. „Dennoch. Das Geklirre würde mich ganz verrückt machen.“
    Rupert steht ihr plötzlich
gegenüber. Er wirft seinem Bruder einen verächtlichen Blick zu und setzt sich.
Sein Haar ist noch nass. Ein Veilchen blüht über seinem linken Wangenknochen,
seine Lippe ist blutig aufgesprungen, ebenso die Haut über den Knöcheln seiner
Rechten. Mit einem verstohlenen Blick auf Malcom bemerkt er dessen ärgerliche
Miene.
    „Sie haben euch eine deftige
Abreibung verpasst“, zieht Joan ihn auf.
    Rupert verdreht die Augen. „Das
kannst du laut sagen.“ Er blickt zu Malcom. „Welch raufsüchtige Bauern hast du
bloß in deinen Diensten!“
    „Sie haben sich angepasst“,
bemerkt Malcom schneidend, was Rupert aufstöhnen lässt. Erneut bedenkt er
Jeremy mit giftsprühenden Blicken. Dieser räuspert sich daraufhin betreten und
wendet sich wieder seinem Frühstück zu.
    Leroy und Shepherd schleichen
an die Tafel heran. Sie sehen arg mitgenommen aus. Shepherds Nase scheint nach
der immensen, bläulich gefärbten Schwellung zu urteilen, gebrochen. Angus
taucht neben ihnen auf. Seine Stirn ist notdürftig verbunden. Als sie Jeremy
gewahren, kommt plötzlich wieder Leben in sie. Leroy tritt an ihn heran und
versetzt ihm einen derben Stoß gegen die Schulter, so dass er an Raban neben
ihm stößt.
    „He, was soll das“, ruft Jeremy
empört.
    „Jetzt spiel nicht den
Unschuldigen“, ereifert sich Leroy entrüstet. „Was musstest du dich auch an
dieser Dirne vergreifen!“
    „Sie hatte es doch darauf
angelegt“, verteidigt sich Jeremy.
    „Ja, doch das sahen ihre Sippe
und das halbe Dorf ganz anders.“ Wutschnaubend umrundet Leroy die Tafel, um nur
ja weit weg von Jeremy zu sitzen. Shepherd und Angus verpassen diesem indes
verärgert rohe Knuffe und folgen dann Leroy hinterher.
    Malcom leert seinen Becher mit
Wasser und stellt ihn geräuschvoll auf der Tafel ab. Seine Männer blicken
verstohlen zu ihm herüber. Er erhebt sich und würdigt sie keines Blickes mehr.
„Ihr seid wahrlich eine verdammte Schande“, raunt er, doch laut genug, um Gehör
zu finden. Er steuert auf den Ausgang zu, pfeift Heda heran und verlässt die
Halle, in welcher sich betretenes Schweigen breit macht. Beschämt über die Rüge
ihres Dienstherrn lassen die Männer geknickt die Köpfe hängen.
    Rupert ihr gegenüber wühlt sich
durch die nassen Haare. „Welch verfluchte Schmach“, knurrt er und blitzt Jeremy
böse an.
    „Sie
werden Possen über euch reißen“, bemerkt Joan, während sie sich erhebt. „Und
wenn ihr versucht, ihre Abgaben einzutreiben, fördern sie euch vermutlich mit
einem Arschtritt zum Hof hinaus.“ Sie blickt ihnen noch kurz nachdrücklich in
die verfinsterten Gesichter, um dann Malcom hinterher zu folgen.
    Vater
Isidor legt nachdenklich einen Zeigefinger über den Mund und sinnt über ihre
Worte nach. Joan beobachtet ihn verstohlen. Wie hofft sie, eine Antwort zu
finden. Als sie ihm beichtete, unzählige Menschen getötet zu haben, erteilte er
ihr Absolution, da sie es aus Eigenwehr hatte tun müssen. „Wir leben in
unsicheren Zeiten“, hatte er gesagt. „Da sind die Menschen gezwungen, sich
ihrer Haut durch Taten zu erwehren, die gegen die Gebote Gottes verstoßen.
Sollte ich alle mir Anvertrauten Buße tun lassen, weil sie sich gegen die
Schotten wehrten? Das entbehrt jeglichen gesunden Menschenverstandes.“
    Der Geistliche räuspert sich nun.
„Mir sind deine Beschreibungen nicht unbekannt, musst du wissen“, erklärt er
auf ihr Bekenntnis, farbige Lichter um die Lebewesen herum sehen zu können, so
dass Joan überrascht die Luft anhält.
    Der Vater lehnt sich bequem auf
seinem breiten Stuhl zurück, stellt die Ellenbogen auf die Armlehnen

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