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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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zum
Rücken hinab. Am liebsten würde sie ihn in die Arme schließen. Doch dafür ist
ihr Stolz zu groß.
    „Joan, schön, dich wieder unter
den Lebenden zu wissen“, äußert Amál mit einem herausfordernden Blick auf
Malcom.
    Sie nickt bedrückt, ringt sich
jedoch zu einem Lächeln durch.
    Er grinst. „Kann ich dich zu
einer Suppe überreden?“
    Es heitert sie tatsächlich auf.
Doch nur so lange, bis sie Ulmans leeren Platz neben ihm wahrnimmt. Es
überwältigt sie, rührt sie beinahe zu Tränen.
    Amál bemerkt es und legt ihr
tröstend eine Hand auf den Arm.
    Hastig fasst sie sich, scheltet
sich insgeheim für diesen Anflug von Schwäche und langt nach einem Schüsselchen
mit für sie bestimmtem Kräuterquark, in den sie einen Kanten weißen Brotes
taucht.
    Amál betrachtet die beiden ihm
gegenüber und seufzt. „Ihr Jammergestalten solltet euch einmal Zeit füreinander
nehmen“, bemerkt er provokativ.
    Sie sehen überrascht zu ihm
auf. Joan spürt plötzlich Malcoms Blick und wendet sich ihm behutsam zu. Einen
scheinbar endlosen Moment sehen sie sich an. Dann schließt er kaum merklich die
Augen, schüttelt den Kopf und erhebt sich. Ohne ein Wort verlässt er die kleine
Halle.
    Amál bläst die Luft aus.
    „Ich drehe dir den Hals um,
wenn du es ihm steckst“, faucht sie ihn leise an.
    Er runzelt verwundert die
Stirn, um sich dann zu ihr über den Tisch zu beugen. „Du willst ihn in dem
Glauben lassen, du hättest Ehebruch begangen“, haucht er ungläubig.
    „Ich redete ihm diesen Gedanken
nicht ein. Er verfiel von ganz allein darauf“, gibt sie bissig zurück.
    Er stößt verächtlich die Luft
zwischen den Zähnen aus. „Was hast du erwartet? So, wie du um Ulman trauertest
...“
    Joan betrachtet ihn
fassungslos. „Natürlich, was läge da anderes auf der Hand, nicht wahr? ... Ich
vergaß, dass du in der Sache nicht ganz unbefangen bist“, zischt sie und fährt
sich aufgebracht über die Stirn. „Ihr seid wahrlich aus dem selben Holz
geschnitzt“, ruft sie nun ungehalten und bemerkt die verstohlenen Seitenblicke
der Männer. Fuchtig erhebt sie sich, heimst sich Brot, Dörrobst und ihren Käse
von den Tabletts in die Arme und rauscht wütend davon.
    Unbewusst lenkt sie ihre
Schritte in den Garten. Dort sinkt sie aufatmend auf die Bank und beginnt, die
Speisen in ihrem Arm gedankenversunken zu verzehren. Die Sonne wärmt für diese
Tages- und Jahreszeit schon beträchtlich. Sie schreckt zusammen, als sich Amál
schwerfällig neben ihr niederlässt.
    Versonnen lauschen sie dem
Singen der Vögel. Ein Steinmarder huscht übers Dach der Scheune und verschwindet
in einer Ritze des lehmbeworfenen Giebels. Als sich eine Katze für ein
Sonnenbad auf den warmen Steinen des nahen Brunnenrandes niederlässt,
verscheucht Amál sie mit einer ungehaltenen Bewegung des Armes. Er tut es nicht
von ungefähr. Denn einige Tage nach ihrer Ankunft hier musste er notgedrungen
den Brunnen reinigen lassen, da man vergessen hatte, ihn nach dem
Wasserschöpfen wieder zu bedecken. Es hatte zur Folge gehabt, dass eine Katze
hineinstürzte und ertrank. Man hatte den Kadaver erst bemerkt, als er schon
stank.
    Amál greift sich plötzlich
einen ihrer gedörrten Apfelringe, um ihn nachdenklich zwischen den Fingern zu
drehen.
    „Solche Streitigkeiten bin ich
von Miriam nicht gewöhnt.“
    Sie nickt. „Sicher nicht mein
einziger Makel.“
    „Nein“, wehrt er ab. „Es ist
gut, sich durchzusetzen. Manches Mal hab’ ich gewünscht, sie würde es tun.
Insbesondere Awin gegenüber. ... Aber ich weiß ihre Ausgeglichenheit erst jetzt
allmählich zu schätzen.“ Er wendet sich ihr zu. „Joan, ein Mann muss sich bei
seiner Frau geborgen fühlen und nicht ständig in der Furcht leben, von ihr
betrogen zu werden. Malcom glaubt felsenfest, du hättest bei Ulman gelegen. Er
ist sich nicht einmal mehr sicher, ob das Kind, welches du unterm Herzen
trägst, von ihm stammt. ... Wenn du die Sache nicht klärst, wird sie euch
entzweien.“
    Ihr ist der Bissen im Halse
stecken geblieben. Sie schluckt ernüchtert. „Du scheinst nicht die geringste
Ahnung zu haben, wie verletzend diese Verdächtigungen sind.“
    „Ach komm schon, Joan. Sie
kommen doch nicht von ungefähr. Du hast Ulman ganz offensichtlich sehr geliebt.
Das muss Malcom erst einmal verdauen. Er wird sich fragen, wen von ihnen beiden
du mehr liebst, ob er vor sich selbst ausspucken muss, wenn er dir so einfach
verzeiht.“
    „Ich sehe ein, dass es eine
harte Nuss für ihn ist.

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