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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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da
rausgeholfen.«
    Â»Und das Tagebuch haben Sie an sich genommen?«
    Warschauer nickte.
    Â»Und nicht der Polizei gezeigt?«
    Warschauer sah ihn unter hochgezogenen Augenbrauen an. Helge war
sich nicht sicher, aber es sah aus, als würde der Tänzer am liebsten in Tränen
ausbrechen, als er auf seine gepflegten Fingernägel blickte.
    Â»Warum nicht?«
    Â»Es hätte einen Skandal gegeben. Ich konnte es ihm einfach nicht
antun. Für mich war der Fall eindeutig.«
    Â»Ihnen ist aber schon klar, dass Sie Beweismaterial unterschlagen
haben. Nicht nur wegen Herrn Körners Tod, sondern auch belastendes Material
gegen Josef Rost. Sie haben einen Täter geschützt.«
    Warschauer kniff die Augen gegen den stärker werdenden Regen
zusammen.
    Â»Ich weiß.«
    Helge schüttelte verständnislos den Kopf. Er konnte nicht genau
sagen, warum, aber er mochte nicht nur Janina Zöllner, er mochte auch diesen
Tänzer. Eigentlich war er Prominenten gegenüber voreingenommen, hielt sie für
arrogant und opportunistisch. Aber dieser hier schien nett und bodenständig zu
sein, und er stand zu den Fehlern, die er gemacht hatte.
    Â»Können Sie mir irgendetwas sagen, das mich überzeugen könnte, Ihnen
jetzt keinen Ärger zu machen?«
    Wieder dieses überraschende Lächeln, als ob Warschauer nichts mehr
zu verlieren hätte.
    Â»Ich kann Ihnen nichts sagen, was mich nicht noch mehr belasten
würde.« Dann seufzte er. »Aber darauf kommt es nun auch nicht mehr an, oder?
Ich habe ihn erpresst. Ich habe ihm gesagt, er muss damit aufhören, oder er ist
geliefert.«
    Â»Und was wollten Sie dafür haben?«
    Â»Wie meinen Sie das?«
    Â»Wenn man jemanden erpresst, dann will man doch etwas von ihm. Geld,
Ruhm. Solche Dinge.«
    Warschauer schien ehrlich verwundert. »Nein, darum ging es nicht.
Ich habe Joe als Freund angesehen. Es war nur … Als ich das Tagebuch gelesen
hatte, habe ich ihm klargemacht, sollte ich je wieder mitbekommen, dass er
einen minderjährigen Stricher kauft oder sich anders an Kindern vergreift, dann
ist er geliefert. Dann ist er dran.«
    Helge hätte beinahe gelacht. Das war wirklich die sanfteste Form von
Erpressung, von der er je gehört hatte.
    Â»Woher wissen Sie, dass er sich dran gehalten hat? Vielleicht hat er
seine Aktivitäten nur besser geheim gehalten, ist vorsichtiger geworden?«
    Â»Er hat sich dran gehalten.«
    Warschauer klang überzeugt, aber das genügte nicht als Beweis.
    Â»Haben Sie ihn die letzten anderthalb Jahrzehnte ständig beobachtet?«
    Â»Sebastians Selbstmord hat ihn schockiert. Geläutert. Ich habe ihm
geglaubt.«
    Â»Wollen Sie vielleicht jetzt Anzeige gegen Rost erstatten?«
    Â»Wozu?«
    Â»Um sich selbst … vor Gericht besser dastehen zu lassen.«
    Warschauer überlegte einen Moment. Dann schüttelte er entschieden
den Kopf. »Das käme mir nach so vielen Jahren unanständiger vor als damals die
Unterlassung.«
    Helge seufzte. Da war etwas dran.
    Â»Noch mal zurück zu der Doppeldeutigkeit, von der ich gesprochen
hatte, Herr Warschauer. Wenn ich diesen Tagebucheintrag lese, dann verstehe
ich, wie Sie darauf kommen, dass Herr Körner Selbstmord begangen hat. Weil damals
jedoch das Tagebuch nicht zu den Ermittlungen herangezogen werden konnte, hat
man da vielleicht in Betracht gezogen, dass es sich um einen Mord handelte?«
    Â»Nicht wirklich. Sebastian war klinisch depressiv, er war in
Behandlung. Eine unglückliche Liebe, Zeit und Ort am Abend der Premiere dort,
wo die Feier stattfand. So blöd wäre kein Mörder. Die Sache wurde schnell und
diskret behandelt.«
    Â»Hm«, machte Helge.
    Was Warschauer sagte, war logisch. Aber irgendetwas gefiel ihm nicht
an der Geschichte.
    Â»Trotzdem … es könnte auch ein Mord gewesen sein«, sagte er mehr zu
sich selbst als zu Warschauer. Er zog das Tagebuch aus der Tasche und schlug es
auf.
    Â»Hören Sie zu: Ich sehe nur einen einzigen Weg,
die Verbindung zu kappen. Heute Abend. Ich muss nur den Mut finden, mich dem zu
stellen. Die Konsequenzen zu ziehen. Keine Tanzkarriere. Kein Leben voller
Schuld und Scham.
    Verstehen Sie? Er könnte ebenso gut vorgehabt haben, preiszugeben,
was passiert ist, und Josef Rost in den Skandal zu stürzen. Vielleicht sogar an
diesem Premierenabend. Viele Leute, vielleicht Presse … Das wäre, wenn Rost es
geahnt oder gewusst

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